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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
Autoren: Sophie Miller
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Schmetterlingsstil.
    Eine Viertelstunde später stieg ich aus dem Becken und wollte unter die Dusche.
    »Gerade erst angekommen?« Der Mann hielt sich am Beckenrand fest und nahm die Schwimmbrille ab. »Ich habe Sie noch nie hier gesehen.« Schwungvoll kam er aus dem Wasser.
    »Ich bin auf der Durchreise.« Ich strubbelte mein Haar.
    »Hier reist man nicht durch«, antwortete er. »Wer nach Saanen kommt, will nirgendwo anders hin.« Er mochte kaum älter sein als ich, sportlich, kleiner als Pascal. Dieser Mann hatte einen geschmeidigen Körper, helles Haar, das bereits schütter wurde.
    »Stimmt, das Saanenland ist wunderbar.« Ich wollte weiter.
    »Sie stammen nicht aus der Schweiz.« Er folgte mir zu den Duschen.
    Ich drehte mich um. Beim Schwimmen ging es normalerweise schweigsam zu. Man kam und schwamm, es war ungewöhnlich, dass jemand hier ein Gespräch suchte.
    »Sie haben recht, ich bin nicht von hier.« Ich ging weiter.
    »Österreich?« Obwohl die Bereiche für Männer und Frauen sich trennten, blieb er an meiner Seite.
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Ihre Sprache klingt ungewöhnlich. Ich kann Ihren Akzent nicht einordnen.«
    Ich musste an meine Mutter denken, die mir ihre Sprache gleichsam vererbt hatte, den Schatz der deutschen Sprache, gesprochen in einem fremden Land. Wie konnte der Fremde in der Badehose das nach wenigen Sätzen erkannt haben?
    »Ich stamme aus Kanada, meine Eltern waren Einwanderer.«
    Er wischte Wassertropfen von der Stirn. »Darauf wäre ich nicht gekommen.«
    »Sind Sie öfter hier?«
    »Jedes Jahr.«
    »Von wo kommen Sie?«
    »Frankfurt.«
    »Frankfurt? Dort habe ich …« Keine vorschnelle Vertraulichkeit, dachte ich. Wozu sollte ich ihm auf die Nase binden, dass Pascal dort eine Villa besaß?
    »Kennen Sie Frankfurt?«
    »Flüchtig.«
    Wir standen vor dem Frauenbereich; ich wollte nun weiter.
    »Klettern Sie?«, fragte er, als suche er nach einem Thema, mich aufzuhalten.
    Mit dem Zeh verwischte ich die Pfütze, die unter mir entstand. »Klettern, wieso?«
    »Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, dass hier einige ansehnliche Berge stehen.« Er grinste.
    »Das machen Sie also in Saanen – Sie klettern auf Berge?«
    »Es gibt nichts Schöneres.«
    Bevor er weitersprechen konnte, nickte ich ihm zu, verschwand um die Ecke, drehte das heiße Wasser auf und hielt das Gesicht in den Strahl.
    Meine Haut spannte vom Chlorwasser; auf dem Zimmer cremte ich mich ein, legte mich aufs Bett und wartete, dass ich müde wurde. Ich war seltsam aufgedreht, musste an den Deutschen denken, den ich wahrscheinlich nicht wiedersehen würde. Morgen ging ein Flug von Genf nach Toronto. Er war zwar ausgebucht, aber man hatte mir Hoffnung gemacht, dass die Warteliste nicht lang sei.
    Ich zog mich an und erkundigte mich an der Rezeption nach einem Restaurant. Als ich das Hotel verließ, tauchte die untergehende Sonne das Panorama in einen leuchtenden Brand. Es war, als stünden die Gipfel in Flammen. Ich setzte mich auf eine Bank im Hotelpark, schaute und staunte, bis alles vorbei und das Licht grau und violett geworden war.
    Das gesuchte Restaurant hieß Alpenrösli . Ich fürchtete kitschige Folklore, doch es war moderner als sein Name und sehr gut besucht. Der Kellner fragte, ob ich reserviert hätte, und sah sich besorgt um, wo er mich platzieren könnte.
    »Ich müsste Sie irgendwo dazusetzen.«
    Mein Blick glitt über Familien, Ehepaare, eine Stammtischrunde in der Ecke. »Danke, nein, dann werde ich lieber …« Ich war enttäuscht, überlegte, wie ich den Abend retten sollte, und ärgerte mich, nicht vorbestellt zu haben. Hinter mir ging die Tür auf.
    Es war der Deutsche. Ich blieb unentschlossen stehen, als er den Kellner nach einem Tisch fragte. Ihm erging es genauso wie mir.
    »Sieht ziemlich voll aus«, sagte er. Unsere Blicke begegneten einander.
    »Verfolgen Sie mich?«
    »Saanen ist nicht groß.« Er lächelte. »Das Alpenrösli ist ein Geheimtipp.« Er trug einen Leinenanzug, ein Pflaster auf seiner Wange zeigte, er hatte sich beim Rasieren geschnitten. Sein Haar war so frisiert, dass es fülliger wirkte.
    »Leider haben wir heute …« Noch einmal hob der Kellner bedauernd die Schultern.
    »Ich bleibe nicht, vielen Dank.« Ich verließ das Lokal. Gleich darauf hörte ich Schritte.
    »Sie finden mich bestimmt aufdringlich.« Der Deutsche kam an meine Seite. »Aber da wir beide nicht wissen, wohin …«
    »Sie haben recht, ich finde Sie aufdringlich.« Als hätte ich die geringste Ahnung,
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