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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
Autoren: Sophie Miller
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andere können wir erst erörtern, wenn er offiziell für tot erklärt wurde.«
    Es war ein Schlag ins Gesicht. Ich war gekommen, um Rat und Nähe bei der Mutter meines Mannes zu suchen. Sie führte mir vor Augen, dass ich nicht auf derselben Stufe der Trauer stand wie sie. Sie gewährte mir dieses eine Gespräch, danach würde ich mit Pascals Familie nichts mehr zu tun haben. So wie sie bisher aus der Ferne mit mir kommuniziert hatten, über ihren Anwalt, so wollte Lisbeth es belassen. Ich war überzeugt, auch für später, wenn ich ein Recht haben würde, Ansprüche zu stellen, war bereits alles mit dem Anwalt geklärt worden.
    »Ich glaube nicht, dass Pascal tot ist«, sagte ich. Meine Stimme war rau, das Ticken der Uhr schien mir fast unerträglich.
    »Wie kommen Sie darauf?« Sie hob das Kinn, ihr Blick blieb nüchtern. »Drei Monate sind wir ohne Nachricht von ihm, drei lange Monate.«
    »Seine Leiche wurde nicht gefunden.«
    »Das ist häufig bei Unfällen im Meer.«
    »Es gibt andere Tatsachen, die mir merkwürdig vorkommen.«
    »Was für Tatsache n ?« Sie schien mit einem Mal aufmerksamer.
    »Am letzten Tag, als er zum Tauchen aufbrach, nahm er seine Kamera mit, eine teure Unterwasserkamera. Die Polizeitaucher haben die Höhle gründlich abgesucht, später auch das Team, das ich beauftragt habe. Keiner von ihnen hat die Kamera gefunden.«
    »In einer Höhle unter Wasser?« Sie schüttelte den Kopf. »Das kommt mir nicht sehr unwahrscheinlich vor.«
    »Wo sein Atemgerät gefunden wurde, ist der Boden steinig«, fuhr ich fort. »Die Kamera hätte entdeckt werden müssen. Wieso wurden außerdem nur die Druckluftflaschen gefunden und keine anderen Ausrüstungsgegenstände?«
    »Es gibt dafür bestimmt eine vernünftige Erklärung.« Mit einer ungeduldigen Bewegung berührte sie ihre Kette.
    »Pascal kannte die Höhle gut. Es ist mir unbegreiflich, warum er zwischen die Felsen getaucht sein soll. Jeder Anfänger weiß, dass man sich vor engen Schächten fernhält. Dazu kommt, dass die Höhle nicht tief liegt. Ein geübter Schwimmer hätte die Oberfläche auch ohne Atemgerät erreichen können.«
    Mit einem rasselnden Geräusch ließ sie die Kette los. »Wir wis sen nicht, was dort unten geschehen ist. Vielleicht ein Krampf, vielleicht ein Kreislaufkollaps – niemand weiß das.«
    »Wieso hatte er dann Zeit, die Flaschen abzuwerfen und fortzuschwimmen? Denn das muss er getan haben, sonst hätte man seinen Körper gefunden.«
    »Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus«, sagte sie unerwartet schroff. »Das Ganze regt mich zu sehr auf. Verstehen Sie, ich will davon nichts mehr hören. Pascal ist fort, und wir müssen es hinnehmen. Wir müssen!« Bei diesen Worten kam sie hoch, ihr Atem ging heftig.
    Ich dachte an Roman Zuermatts Worte, der seiner Mutter die Aufregung hatte ersparen wollen. Zugleich war ich froh, sie aus der Reserve gelockt zu haben. »Wünschen Sie sich nicht auch, dass Pascal lebt?« Ich stand ebenfalls auf.
    »Sie sind ein energischer Mensch, Antonia, ich kann mir vorstellen, dass Pascal gerade das an Ihnen fasziniert hat.« Ihr Blick wurde weicher, einen Augenblick sah es aus, als würde sie meine Hand berühren. »Aber wenn Sie ehrlich in sich hineinhorchen, glauben Sie dann nicht auch, dass sein Tod die wahrscheinlichste aller Möglichkeiten ist?«
    Ich spürte hektische Flecken auf meinen Wangen. »Nein, das glaube ich nicht. Ich habe mit anderen Tauchern gesprochen. Sie bestätigen meine Zweifel. Ein Strömungsexperte aus der Gegend hat mir Karten gezeigt. Pascal könnte hinausgetrieben worden sein, aufs offene Meer, ein Schiff könnte ihn geborgen haben, er könnte …«
    »Bei all dem Wenn und Aber bleibt eine entscheidende Frage offen.« Lisbeth fasste mich an der Schulter. »Wenn er überlebt hat, wieso hat er sich dann nicht gemeldet? Weder bei Ihnen, noch bei mir?«
    Ich wollte erklären, was ich mir zurechtgelegt hatte, was auf meinen Zetteln stand: Fälle von Gedächtnisverlust infolge eines Unfalls waren bekannt, Schädigung des Gehirns durch Sauerstoffentzug. Es gab viele mögliche Antworten auf die Frage, weshalb Pascal mir bis heute kein Lebenszeichen gegeben hatte. Ich spürte ihre Hand auf meiner Schulter, den Druck und zugleich die Beruhigung. Ich antwortete nicht.
    »Solche Schläge hält das Leben für uns bereit.« Sie nickte, als ob sie mein Dilemma spürte. »Auch ich habe meinen Mann in jungen Jahren verloren. Ich bin darüber hinweggekommen.« Ihre Augen waren ernst
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