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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen
Autoren: Silvia Kaffke
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die Lippe blutete. An Schröders Uniform war ein Knopf abgerissen, aber sonst schien er unversehrt. «Er hat in der ‹Laterne› in der Altstadt eine Schlägerei angefangen», erklärte Schröder. «Den anderen konnte ich leider nicht mitbringen, der wird gerade vom alten Bleiweiß zusammengeflickt. Sieht übel aus, aber Bleiweiß hat zum Glück schon genug gesoffen, um ihn ordentlich zu nähen.»
    «Bringen Sie ihn in den Keller, er soll erst mal seinen Rausch ausschlafen», sagte Robert. Seit den Entlassungen im Werk hatten sie fast jeden zweiten Tag eine Kneipenschlägerei. Aber wer konnte es den armen Schweinen verdenken, dass sie ihre letzten Groschen versoffen?
    Als Schröder nach einer Weile wiederkam, fragte er: «Herr Commissar, was ist mit der jungen Frau da unten? Ebel hat sie heute von der Fähre mitgebracht. Er wollte etwas überprüfen, und dann hat er sie wohl vergessen. Wir können sie doch nicht mit dem Kerl zusammen einsperren   …»
    «Bringen Sie sie zu mir, Schröder, und dann gehen Sie nach Hause. Sie hatten einen langen Tag.» Er vermutete, dass Schröder in der «Laterne» eigentlich hatte zu Abend essen wollen, als die Schlägerei losging.
    Kurze Zeit später stand Zita vor seinem Schreibtisch. Roberts Taschenuhr zeigte sieben Uhr, die Glocke von St.   Maximilian hatte vor einer halben Stunde zum abendlichen Angelus-Gebet geläutet.
    «Was wollte der Inspektor denn überprüfen?», fragte Robert Zita.
    «Ich   … ich suche hier jemanden. Einen Mann, einen Arzt. Er war ein Freund meines verstorbenen Ehemannes, und es hieß, er sei hier in Ruhrort. Deshalb bin ich hergekommen.» Und weil Borghoff darauf nichts erwiderte, fügte sie hinzu: «Ihr Inspektor hielt mich für eine Hure. Aber das bin ich nicht.»
    Ein Lächeln huschte über Borghoffs Gesicht, das durch eine tiefe Narbe und das zerstörte rechte Auge recht finster wirkte. «Und wie lange sind Sie denn schon ehrbar, junge Dame?»
    «Wie lange?» Sie versuchte empört auszusehen, aber dann gab sie auf. «Seit mein Mann und ich Wien verlassen haben. Er   … er ist dann gestorben, aber ich habe versucht, mich mit ehrlicher Arbeit durchzuschlagen.» So ganz stimmte das nicht, weil Tomasz Fredowskys Geld nur bis Düsseldorf gereicht hatte, aber das wollte sie Borghoff nicht auf die Nase binden.
    «Wie heißt denn der Freund Ihres Mannes?», fragte er unvermittelt.
    «Hermann Demuth.»
    «Und er ist Arzt?»
    Sie nickte.
    «Wir haben hier in Ruhrort zwei Ärzte, Dr.   Feldkamp und Dr.   Havemann.»
    Zitas Mut sank. Doch dann kramte sie in ihrem Bündel. «Das ist ein Brief von meinem Mann. Er hat ihn mir kurz vor seinem Tod geschrieben.»
    Sie reichte ihn dem Commissar.
    «Liebste Zita» ,
las er.
«Wenn Du aufmachst diesen Brief, dann ich bin tot und kann Dir nicht mehr geben Schutz. Ich hab gehört, dass Freund Hermann jetzt sein soll oben in Norden in kleiner Stadt Ruhrort. Er wird sich kümmern um Dich, er hat Schuld bei mir. Geh zu ihm und fordere Schuld ein. Dein Dich immer liebender Tomasz»
    Es waren hastig hingekritzelte Zeilen.
    «Mein Mann war Pole», sagte Zita entschuldigend.
    «Ich habe alles verstanden. Sie brauchen also Schutz?»
    Zita schüttelte heftig den Kopf. «Das sagt man doch so, wenn sich jemand kümmern soll. Ich hoffe, ich kann eine Weile bei Hermann bleiben, bis ich Arbeit gefunden habe.»
    Commissar Borghoff runzelte nicht einmal die Stirn. «Wissen Sie, wie lange er schon hier sein soll?»
    «Er ist vor drei Jahren weg aus Wien.»
    Borghoff stand auf. «Heute Abend werde ich unsere Registerlisten nicht mehr durchgehen können, Frau Fredowsky.»
    «Muss ich dann hierbleiben?»
    «Bei dem tollwütigen Kerl da unten?» Er schüttelte den Kopf. «Es gibt hier Unterkünfte. Können Sie zahlen?»
    «Nein. Mein letztes Geld habe ich an der Fähre gelassen.»
    «Dann versuchen wir es im Armenhaus. Für eine Nacht wird das sicher gehen.»
    Zita hatte schon in Armenhäusern übernachtet, und ihr graute davor.
     
    Im Armenhaus gab es keinen Platz mehr, spätestens seit Ankunft der Familie des Geigers war die enge Notunterkunft völlig überfüllt. Zita fürchtete, dass der Commissar sie nun doch noch der Stadt verweisen würde, aber nach kurzem Überlegen sagte der nur: «Kommen Sie mit. Sie können die Nacht bei mir zu Hause verbringen.»
    «Danke», sagte Zita leise.
    «Nur eine Nacht. Wenn wir Ihren Freund morgen nicht finden, werden Sie weiterziehen müssen.»
    «Ja, sicher.»
    Sie fragte sich, welcher Art
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