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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen
Autoren: Silvia Kaffke
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Einschätzung des Commissars war richtig. Solange sie in Ruhrort und dem durch das Phönix-Werk und andere Betriebe stark gewachsenen Meiderich mit nur vier Polizeioffizieren und sechs Polizeidienern arbeiten mussten, war es unmöglich, den Altstadtsumpf trockenzulegen und zu verhindern, dass neuer Abschaum einsickerte.
    «Hast du noch etwas für mich?», fragte Weinhagen.
    Robert nickte. «Die Staatsanwaltschaft wird Anklage erheben gegen den Schlosser Johann Weiler wegen Betrugs. Er wurde von mehreren Kunden angezeigt, weil er Geld genommen, aber die Arbeiten nicht ausgeführt hat. Die Stadt hatte ihm letztes Jahr eine Hilfe gezahlt, als seine Werkstatt ohne sein Verschulden ausgebrannt war. Wenn er jetzt vor Gericht steht und verurteilt wird, wirst du das Geld wohl abschreiben müssen.»
    Weinhagen seufzte. «Ich setze es auf die Tagesordnung der Stadtratssitzung. Die werden nicht sehr erfreut sein.»
     
    Zita Fredowsky hatte zwei unbequeme Stunden vor Ebels Schreibtisch verbracht. Der Inspektor war zwischenzeitlich von einem Polizeidiener zu einer Marktstreitigkeit gerufen worden und mit zwei festgenommenen Bauern zurückgekehrt. Daraufhin hatte er Zita in das Gewahrsam im Keller des Rathauses gesteckt, wo in einer Ecke ein stockbesoffener Schiffer seinen Rausch ausschlief. In der anderen Ecke hockte eine nicht mehr ganz junge Hure, die einen Freier bestohlen hatte. Sie musterte Zita von oben bis unten und fragte dann: «Neu hier?»
    Zita nickte nur.
    «Ist hart zurzeit im Gewerbe, was?»
    «Ich bin keine Hure», antwortete Zita knapp.
    Die Frau lachte trocken auf. «Das kannst du denen da oben weismachen, Kindchen, aber nicht der schwarzen Eva.»
    Eva war mager, und ihre Haut erinnerte an gegerbtes Leder, die glatten schwarzen Haare waren grau durchzogen. «Die werfen dich raus hier, wenn du keine Arbeit und keinen Schlafplatz nachweisen kannst. Und von ehrlicher Arbeit kann hier längst keine mehr leben, es sei denn, du kommst bei einer Patronin unter. Es gibt hier zu viele von uns.» Sie lehnte sich an die Wand. «Früher konntest du dich hier Tag und Nacht wund arbeiten. Hunderte Schiffer kamen durch, und die Arbeiter vom Phoenix und den Gießereien haben ihren Wochenlohn mit uns durchgebracht, vor allem die vielen armen Kerle, die weit weg von ihren Familien waren. Aber dann hat der Phoenix mehr als die Hälfte der Leute entlassen, weniger Stahl bedeutet weniger Schiffe im Hafen und weniger Arbeit in den Gießereien. Und weniger Freier für uns.»
    «Ich bin keine Hure», wiederholte Zita noch einmal. «Nicht mehr», fügte sie dann leise hinzu.
    Eva grinste breit. «Ach so eine bist du. Und ausgerechnet in diesen Zeiten willst du ehrbar werden?»
    «Ich will es versuchen. Und ich habe es schon eine Weile geschafft.»
    Zumindest, solange ich noch Tomasz’ Geld hatte, fügte sie in Gedanken hinzu.
    «Weißt du, ich habe schon viele wie dich kennengelernt. Versuch es ruhig. Aber wenn du in Schwierigkeiten kommst, dann geh zur dicken Martha oder zur roten Katharina in der Altstadt. Du bist noch jung und sehr hübsch. Vielleicht nimmt eine von denen dich auf. Auf eigene Rechnung wird es hier schwer.»
    «Danke, aber ich glaube, ich versuche es lieber auf die andere Art.»
     
    Zita wusste nicht, wie viele Stunden sie schon im Gewahrsam verbracht hatte. Die schwarze Eva hatte ihr viel von sich erzählt und natürlich von Ruhrort. Sie war eine von denen, die ihr Wissen bereitwillig teilten, und Zita war ihr dankbar dafür, auch wenn sie hoffte, dass es nicht so weit kommen würde, dass sie sich wieder verkaufen musste.
    Inzwischen war der Schiffer aufgewacht und hatte begonnen, die beiden Frauen zu belästigen, bis ein Polizeidiener ihn gegen Zahlung einer Geldbuße freiließ. Schließlich wurde auch Eva weggebracht, ins kleine Gefängnis an der Kasteelstraße. Auf sie wartete der Duisburger Staatsanwalt.
    Ebel hatte Feierabend gemacht und war auf dem Weg zu Lohbeck. Wie alle Polizeioffiziere hatte er dort freies Essen und Trinken. Zwar gefiel das Commissar Borghoff nicht, weil die freigebigen Kneipenwirte immer äußerst milde behandelt wurden, wenn sie sich etwas zuschulden kommen ließen, doch da das höchst selten der Fall war, tolerierte er es. Seit seiner Heirat aß er zu Hause, holte sich nur manchmal in einem großen Deckelkrug ein Feierabendbier bei Lohbeck.
    Robert saß noch an seinem Schreibtisch, als Polizeidiener Schröder mit einem angetrunkenen Mann hereinkam. Sein rechtes Auge war zugeschwollen,
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