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Das dunkelste Blau

Das dunkelste Blau

Titel: Das dunkelste Blau
Autoren: Tracy Chevalier
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zögerte, dann nickte sie. Etienne zog ihren Kopf am Haar zurück und brachte ihren Mund nahe an seinen.
    – Aber das Abendmahl des Pfingstfestes ist noch in meinem Mund, dachte sie, und dies ist die Sünde.
    Die Tourniers waren die einzige Familie zwischen Mont Lozère und Florac, die eine Bibel besaß. Isabelle hatte sie bei Gottesdiensten gesehen. Dort trug Jean Tournier sie in Leinen gewickelt bei sich und überreichte sie Monsieur Marcel mit großer Geste. Er ließ sie den ganzen Gottesdienst über nicht aus seinem verdrießlichen Blick. Sie hatte ihn viel gekostet.
    Monsieur Marcel verschränkte die Finger und hielt das Buch auf den Armen, gegen die Rundung seines Bauches gelehnt. Wenn er las, schwankte er hin und her, als wäre er betrunken, obwohl Isabelle wußte, daß das nicht sein konnte, denn er hatte Wein verboten. Er rollte die Augen, Worte formten sich in seinem Mund, aber es war nicht auszumachen, wie sie dorthin gekommen waren.
    Sobald die Wahrheit in der alten Kirche durchgesetzt war, ließ Monsieur Marcel eine Bibel aus Lyon bringen, und Isabelles Vater baute ein hölzernes Pult, das sie trug. Von da an wurde die Tourniersche Bibel nicht mehr gesehen, obwohl Etienne immer noch damit prahlte.
    – Woher kommen Worte? fragte Isabelle ihn eines Tages nach dem Gottesdienst, während sie die neugierigen Augenpaare, die auf sie und Etienne gerichtet waren, ebenso ignorierte wie das feindselige Starren von Etiennes Mutter Hannah. Wie bekommt Monsieur Marcel sie von der Bibel?
    Etienne warf einen Stein von der einen Hand zur anderen. Er schnippte ihn weg; es raschelte, als er in den Blättern liegenblieb.
    – Sie fliegen, erwiderte er fest. Er öffnet seinen Mund, und die schwarzen Zeichen fliegen so schnell hinein, daß du sie nicht sehen kannst. Dann spuckt er sie aus.
    – Kannst du lesen?
    – Nein, aber ich kann schreiben.
    – Was schreibst du?
    – Ich schreibe meinen Namen. Und ich kann deinen Namen schreiben, fügte er selbstsicher hinzu.
    – Zeig’s mir. Bring es mir bei.
    Etienne lächelte, daß seine Zähne halb zum Vorschein kamen. Er zog an ihrem Rock.
    – Ich werde es dir beibringen, aber du mußt bezahlen, sagte er leise, und seine Augen verengten sich, bis das Blau kaum noch sichtbar war.
    Es war wieder die Sünde: Kastanienblätter, die in ihren Ohren knisterten, Angst und Schmerz, aber auch die leidenschaftliche Erregung, den Boden unter sich zu fühlen, das Gewicht seines Körpers auf ihr.
    – Gut, sagte sie schließlich und sah zur Seite. Aber zeig’s mir zuerst.
    Er mußte die Utensilien heimlich zusammensuchen: Die Feder eines Turmfalken mit einem abgeschnittenen und zugespitzten Kiel; ein Stück Pergament, das er von der Ecke einer Bibelseite gestohlen hatte; einen getrockneten Pilz, der, auf einem Schieferstück mit Wasser vermischt, zu einer schwarzen Flüssigkeit wurde. Dann führte er sie den Berg hinauf, weg von den Höfen, zu einem Felsblock aus Granit, der eine flache Oberfläche in der Höhe ihrer Taille hatte. Sie lehnten sich dagegen.
    Geheimnisvoll zog er sechs Striche, die sich zu Zeichen formten: E T.
    Isabelle starrte gebannt hin.
    – Ich will meinen Namen schreiben, sagte sie. Etienne gab ihr die Feder und stellte sich hinter sie; sein Körper preßte sich an ihren Rücken. Sie spürte den harten Wuchs unterhalb seines Bauches, und ein Flackern angstvoller Lust raste durch ihren Körper. Er legte seine Hand auf ihre und führte sie zuerst zur Tinte, dann zum Pergament, zog mit ihr sechs Striche. E T , schrieb sie. Sie verglich beide.
    – Aber sie sehen gleich aus, sagte sie verwirrt. Wie kann das gleichzeitig mein und dein Name sein?
    – Du hast es geschrieben, also ist es dein Name. Weißt du das nicht? Wer es schreibt, dessen Name ist es auch.
    – Aber – Sie hielt inne und ließ ihren Mund offenstehen, wartete darauf, daß die Zeichen in ihren Mund flögen. Aber als sie sprach, war es sein Name, der herauskam, nicht ihrer.
    – Jetzt mußt du bezahlen, sagte Etienne mit einem Lächeln. Er stieß sie gegen den Felsblock, stand hinter ihr, schob ihr den Rock hoch und ließ seine Hosen herunter. Er spreizte ihre Beine mit seinen Knien, hielt sie dann mit der Hand auseinander, so daß er auf einmal eindringen konnte, mit einem schnellen Stoß. Isabelle klammerte sich an den Felsen, als Etienne sich hin- und herbewegte. Dann stieß er ihre Schultern mit einem Schrei nach vorn, so daß ihr Gesicht und ihre Brust hart auf den Felsen gepreßt wurden.
    Nachdem
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