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Das Dornröschen-Projekt - Krimi

Das Dornröschen-Projekt - Krimi

Titel: Das Dornröschen-Projekt - Krimi
Autoren: Random House
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Artemis «, sagte der Mann mit schwerem Atem. »Ist am Funkturm«, schob er nach.
    Natürlich wusste Matti, wo der Edelpuff lag. Was er aber nicht wusste, war, ob der Mann, der offensichtlich nicht gesund war, dahin gehen sollte. Aber es scherte ihn nicht, obwohl er von dem Laden so wenig Provision erhielt wie von den anderen Bordellen und Nachtklubs, die Taxifahrer schmierten, damit sie Kundschaft brachten. Er erinnerte sich noch, wie früher Genossinnen aus der Frauenbewegung ihn aufgefordert hatten, das Geld zu nehmen und an sie weiterzuleiten, damit die Zuhälter und Puffmütter ihren Beitrag leisteten für Frauenhäuser und autonome Frauenprojekte. Und so fiel ihm wieder Lily ein, die fast hyperaktiv frauenbewegt gewesen war, um sich erst an die Stasi und dann an den VS zu verkaufen. Mieser als Ficken gegen Geld. Aber es tat noch weh. Manchmal fürchtete er, dass er den Schmerz zwar zeitweise unterdrücken könne, ihn aber nie loswürde. Den Schmerz über den Verlust von Lily, obwohl er sie nie gehabt, sondern sie ihn zwei Mal verraten hatte, mit ihm nur zusammen gewesen war, weil er ein Objekt war. Den Schmerz, weil es ihr gelungen war, ihn hereinzulegen, ihm Liebe vorzuspielen, das älteste Spiel aller Spiele. Aber nicht alt genug, um nicht zu funktionieren.
    Der Puff lag direkt an der Halenseestraße, wo sich Bahntrassen und Autobahn samt ihren Zufahrten in einem dröhnenden und ratternden Gewirr aus Stahl und Beton auf vier Ebenen übereinander verschachtelten. Berlins Höhepunkt stand unter dem Namen auf dem Schild, an dessen rechtem Rand das Neonprofil eines Frauengesichts den schlichten Zweck des Etablissements als Extravaganz ausgab. Das fand Matti ungefähr so angemessen wie die Behauptung von Frankfurter Großbanken, ihr Tun diene dem Wohl ihrer Kunden. Der Mann gab reichlich Trinkgeld und stieg hustend aus. Erst jetzt sah Matti, wie klein und fett er war. Lichter huschten vorbei und formten sich weit hinten auf der Stadtautobahn zu einem gelb leuchtenden Band. Die Lichter der Stadt färbten den Nachthimmel grau.
    Er beschloss, hier auf Kunden zu warten, nahm die Berliner Zeitung vom Beifahrersitz und las noch einmal die Notiz auf Seite 9, unten: »Die Kriminalpolizei hat den Berliner Ingenieur H. Sch. festgenommen. Er steht unter dem Verdacht der Anstiftung zum Mord in zwei Fällen. Oberstaatsanwalt Johann Widmer erklärte, der Tatverdacht sei hinreichend begründet. Auf weitere Fragen antwortete er nicht.«
    Matti lächelte. Immerhin.
    Ein Getränkelaster rollte vorbei und hielt vor dem Artemis , um rückwärts in eine Ausbuchtung neben dem Haus zu stoßen. Zwei Männer stiegen aus. Matti beachtete sie erst nicht, bis ihm etwas auffiel, er wusste nicht einmal, was, eine Bewegung, eine Geste. Er blickte genau hin. Einen Mann kannte er. Das kann doch nicht sein, dachte er. Auf dem Kühler las er die Aufschrift Getränke-Service Günther Dehmel & Sohn . Dehmel, das passte. Der Mann war der Sohn, und Matti kannte ihn gut. Es war Twiggy. Und der hieß Guido Dehmel. Matti musste lachen. Mit einem Schlag war ihm alles klar. Twiggy gehörte ein Anteil an dem Transportunternehmen seines Vaters, das saß in Hannover, wo Twiggys Familie lebte. Und Twiggy arbeitete nachts immer mal wieder als Fahrer oder als Filialleiter, jedenfalls war er der Sohn des Chefs und Anteilseigner. Deswegen konnte er so frei über seine Zeit entscheiden. Und als Twiggy mit einer Kiste aus dem Artemis kam, ahnte Matti, wie es ihm gelang, Dinge günstig zu organisieren. Im Schein der Laterne erkannte er die Verpackung einer Espressomaschine, die Twiggy zum Transporter trug. Er klapperte mit dem Getränkelaster nachts Kneipen, Puffs und Hotels ab und traf diesen und jenen, der dieses und jenes günstig abzugeben hatte, natürlich nur an Spezis, die schweigen konnten.
    Als Matti am Morgen müde von einer enttäuschenden Nacht nach Hause kam, hörte er die Maschine heulen, als sie die Kaffeebohnen mahlte. Er stellte sich in die Tür, Twiggy und Dornröschen standen mit dem Rücken zu ihm und bestaunten die Neuanschaffung, die nun dröhnend und spotzend den Kaffee in zwei Espressotassen fließen ließ. Sie kamen ihm vor wie Kinder, die mit großen Augen ein neues Spielzeug bestaunten, auch wenn er nur ihre Hinterköpfe sah. Es rührte ihn, wie sie da standen. Twiggy nahm die kleinen Tassen, auch sie waren neu, drehte sich um und erschrak.
    »Du bist schon da?«
    »Nicht früher als sonst.«
    »Auch eine?« Erwartungsfrohe
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