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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder
Autoren: Reginald Hill
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nicht ’n bißchen seltsam ist«, erzählte er. (Das wurde als guter Witz betrachtet und machte schnell im Tal die Runde.) Aber er mußte ihm von Benny erzählen.
    Benny war ungefähr neunzehn, und ich hatte gehört, daß er als Junge mal einen Unfall gehabt hatte und deswegen ein Stück Metall im Kopf trug, und vielleicht war er deswegen so schüchtern, vor allem mit den Mädchen. Man sah den langen Schlaks auf Veranstaltungen in der Gemeindehalle rumstehen oder oben im Wintle Wood, wo die großen Jungs und Mädchen an lauen Abenden rumschmusten. Aber wenn er merkte, daß man ihn entdeckt hatte, verschwand er so schnell, daß man sich fragte, ob man ihn wirklich gesehen hatte. »Der Name paßt wie die Faust aufs Auge«, sagten die Leute immer und alle hatten ihren Spaß, als sie hörten, daß Benny, sobald der Polizeiwagen vor ihrer Hütte anhielt, hinten raus und auf den Berg gelaufen war.
    Einer der Polizisten versuchte, ihn zu fangen, aber das hatte keinen Sinn. Einmal hatten sie Benny überredet, an den Danby Tops teilzunehmen, das ist das große Bergrennen zur Kirmes im August. Sie brachten ihn zum Start, und als die Pistole losging, rannte er los wie der Blitz, und als sie eine halbe Stunde später oben am Lang Neb wieder Richtung Danby umkehrten, war er allen eine halbe Meile voraus. Er sprang da runter wie ein losgetretener Bergkiesel, hüpfte von Vorsprung zu Vorsprung, ohne daß hinter ihm ein anderer Läufer zu sehen gewesen wäre. Dann hörte er die Menge jubeln und blieb ein paar hundert Fuß oberhalb vom Jahrmarkt auf der Gemeindewiese Ligg Common stehen und sah auf all die Leute runter.
    Dann drehte er sich plötzlich um und rannte den Berg fast so schnell wieder rauf, wie er gekommen war, und ich wette, er hat keine Pause gemacht, bis er zur Hütte seiner Oma in Dendale kam.
    Also, wie ich sagte, die meisten Leute lachten, als sie das hörten, weil sie wußten, daß es Zeitverschwendung war, hinter Benny herzulaufen, vor allem, weil sie überzeugt waren, daß die Polizei nicht nach einem Einheimischen suchen mußte, sondern nach einem Auswärtigen, und höchstwahrscheinlich nach einem von der Baustelle am Staudamm.
    Die Männer waren nun schon eine lange Zeit dagewesen. Sie hatten gleich mit der Arbeit angefangen, als Mr. Pontifex all seinen Grundbesitz in Dendale verkauft hatte. Mit dem Damm selber konnten sie aber erst anfangen, als das Ergebnis der öffentlichen Umfrage da war, aber das machte auch keinen Unterschied, wie ich meinen Dad später sagen hörte. Die Wasserbehörde wußte, daß sie genau das Ergebnis kriegen würde, das sie brauchte, und als es feststand, hatten sie oben am Highcross Moor zwischen dem Neb und Beulah Height schon neue Entwässerungsgräben gelegt, so daß das Gebiet, das damals ein großer Sumpf war, sich in einen kleinen Bergsee verwandelt hatte, der nur darauf wartete, ins Tal runtergespült zu werden. Und am Dale End hatten sie schon die Felder niedergewalzt und Straßen für die schweren Fahrzeuge geteert und Hütten für die Bauleute aufgestellt.
    In dem langen heißen Sommer, als der Damm fast fertig war, waren sie also schon eine ganze Weile dagewesen, und im Tal hatte man sich an sie gewöhnt. Es gab hin und wieder Ärger, aber nicht viel. Als an Weihnachten ein paar Hühner gestohlen wurden und jemand anfing, Unterhöschen von den Wäscheleinen zu klauen, sagte jeder, daß das wohl die Bauleute waren, und Nobby Clark ging hin und redete mit ihnen, aber abgesehen davon störten sie keinen. Manchmal gingen sie ins »Holly Bush«, aber sie hatten ihre eigene Kneipe und Kantine und einen Freizeitraum unten am Dale End und schienen lieber unter sich zu bleiben. Aber einer von ihnen war anders. Der Mann hieß Geordie Turnbull.
    Geordie war niemand Wichtiges, er fuhr einen der großen Bulldozer, aber er kam gern ins Dorf, um ins Pub zu gehen oder im Postamt einzukaufen. Jeder mochte ihn, außer vielleicht ein paar Männer, denen es nicht paßte, daß er bei den Frauen so gut ankam.
    Sogar Mrs. Winter, unsere alte Schuldirektorin, fand ihn nett, und Miss Lavery schien geradezu hingerissen. Ein paar Monate vorher hatte die Wasserbehörde eine Reihe von Vorträgen in der Gemeindehalle abgehalten, um alles über den Damm zu erklären, todlangweilig, wie mein Dad sagte. Er stand auf und stellte Fragen, und es kam zu einer Schlägerei, und er wollte den Referenten schlagen, aber ein paar andere hielten ihn davon ab, obwohl die meisten seiner Meinung waren. Jedenfalls
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