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Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder
Autoren: Reginald Hill
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in die Stadt, und während die alte Mrs. Lightfoot jedem leid tat, hoffte doch jeder, daß nun alles vorbei wäre. Aber vier oder fünf Tage später war Benny wieder zurück. Nobby Clark erzählte, sie hätten ihn verhört und verhört, aber er hätte immer wieder gesagt, er hätte nix Böses getan, und sie mußten ihm einen Anwalt geben, und obwohl sie ihn so lange dabehielten, wie sie konnten, mußten sie ihn am Ende gehen lassen.
    Niemand im Tal wußte, was man davon halten sollte, aber alle Mütter sagten ihren Kindern dasselbe: wenn du Benny Lightfoot siehst, dann lauf, was das Zeug hält! Und einige der Väter waren nach ein paar Bier im »Holly Bush« dafür, zum Neb Cottage raufzugehen und die Sache zu klären, obwohl mein Dad sagte, sie wären ein Haufen Idioten, die ihr Hirn an die Wand gepißt hätten. Es wäre beinahe zur Schlägerei gekommen, aber Mr. Wulfstan war auch in der Kneipe, zusammen mit Arne Krog, und jemand wollte wissen, was er denn denkt. Die Leute hatten viel Respekt vor Mr. Wulfstan, obwohl er ein Auswärtiger war. Er hatte eine Ansässige geheiratet, hatte nix gegen Jagen und Schießen und brachte sein Geld unter die Leute im Tal. Vor allem hatte er hartnäckig gegen die Wasserbehörde gekämpft. Also hörten sie auf ihn, als er sagte, sie sollten dem Gesetz vertrauen. Das Beste, was sie tun könnten, wäre, ihre Kinder immer im Auge zu behalten, bis wir alle umziehen müßten. Und das war ja nicht mehr lange hin.
    Es war komisch. Je mehr die Leute sich Sorgen um ihre Kinder machten, desto weniger sorgten sie sich um den Damm. Tatsächlich meinten ein paar Mütter, es wäre ein Segen, umzuziehen und alles hinter sich zu lassen und irgendwo neu anzufangen, weit weg von Benny Lightfoot – als ob er und seine Oma nicht umziehen müßten!
    Das heiße Wetter hielt an. Der Wasserspiegel des Sees sank, der Damm wuchs in die Höhe. Die Leute meinten, ohne Wasser wäre es gar kein richtiger Damm, nur eine hohe Mauer wie der Hadrianswall im Norden, um die Fremden abzuhalten.
    Aber es hatte nicht funktioniert. Es waren ja schon zwei drin. Arne Krog und Inger Sandel.
    Ich kannte sie ganz gut, weil Tante Chloe mich oft nach Heck einlud, um mit Mary zu spielen. Außerdem erinnerte sich Arne daran, daß ich letztes Jahr im Schulchor gesungen hatte, und als er hörte, daß ich in diesem Jahr »The Ash Grove« solo singen würde, bat er mich eines Tages, es ihm vorzusingen. Ich hab mich so darüber gefreut, daß ich gleich anfing, ohne zu warten, daß er am Klavier die Begleitung spielte. Er hörte zu, bis ich fertig war, und setzte sich dann ans Klavier. Das war so ein Stutzflügel. Mr. Wulfstan spielte selbst ein bißchen, aber er hatte ihn eigentlich für Mary gekauft, damit sie in den Ferien üben konnte. Mary spielte nicht besonders gern, wie sie mir verraten hatte. Ich hätte es gern gelernt, aber wir hatten kein Klavier und es bestand keine Hoffnung, daß wir je eins kriegen würden. Jedenfalls spielte Arne einen Ton und bat mich, ihn nachzusingen, dann spielte er noch einen und noch ein paar mehr und fragte mich dann, welcher Ton am Ende der zweiten Zeile von »The Ash Grove« kommt.
    Als ich es ihm sagte, drehte er sich zu Inger und meinte: »Hast du das gehört? Ich glaube, die kleine Betsy hat das absolute Gehör.«
    Sie sah ihn nur ausdruckslos an, was nix bedeutete, weil sie immer so guckte. Sie sprach genauso gut englisch wie er, nur gab sie sich keine Mühe, wenn es nicht unbedingt sein mußte. Was mich anging, so hatte ich keine Ahnung, wovon sie sprachen, aber ich fühlte mich mächtig gebauchpinselt, weil ich etwas konnte, das Arne gefiel.
    Der Flügel aus dem Heck-Haus mußte für das Konzert nach St. Luke’s gebracht werden. In der Gemeindehalle gab es zwar ein altes Klavier, bloß, das war verstimmt, und das in der Schule war auch nicht viel besser. Wenn eine Katze über die Tastatur gelaufen wäre, hätte sie genauso gute Musik gemacht wie Miss Lavery, wenn sie darauf spielte. Also mußten sie Mr. Wulfstans Stutzflügel holen.
    Dad fuhr mit einem Anhänger an seinem Trecker nach Heck. Er hatte den meisten Dreck vom Anhänger weggefegt und frisches Stroh auf die Planken gelegt, damit er nicht so schlimm aussah. Sie brauchten Dad und noch zwei andere Burschen aus unserem Dorf, um das Klavier aus dem Haus zu kriegen, während Tante Chloe und Arne gute Ratschläge gaben. Ich wollte auch helfen, aber Dad sagte, ich solle verdammt noch mal aus dem Weg gehen, bevor jemand über
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