Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Dorf der verschwundenen Kinder

Das Dorf der verschwundenen Kinder

Titel: Das Dorf der verschwundenen Kinder
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
herrichten ließ, damit es gemütlicher wurde, und den Keller gegen Feuchtigkeit abdichten und Regale für seine guten Weinflaschen einbauen ließ, vergab er die meiste Arbeit an Leute aus unserem Dorf, und Madges Vater, der mit seinem Bruder die Tischlerei in unserem Tal betrieb, sagte, er wäre ein toller Kerl.
    Aber ich wollte von Jenny erzählen. Vielleicht war sie wirklich beleidigt wegen Mary, oder vielleicht hatte Madge sich das bloß ausgedacht, und sie wollte wirklich Blumen für ihre Mam pflücken. Da haben sie jedenfalls die einzige Spur von ihr entdeckt, im Wintle Wood. Ihr blaues Hemdchen. Vielleicht hatte sie’s in der Hand gehabt und einfach fallen gelassen. Wenn wir an diesen heißen Tagen im Wasser spielten, haben wir immer alles bis auf die Unterhose ausgezogen und erst wieder angezogen, wenn wir ausgeschimpft wurden. Wir liefen im Dorf herum wie kleine Heiden, hat meine Mam immer gesagt.
    Aber das hörte alles auf, als die Polizei gerufen wurde. Ab dann gab es andauernd Fragen, und wir wurden alle kribbelig vor Angst und Aufregung, aber vielleicht doch mehr vor Aufregung. Wenn die Sonne scheint und alles so aussieht wie immer, fällt es Kindern schwer, lange Angst zu haben. Außerdem war Jenny als dickköpfiges Kind bekannt und schon mal zu ihrer Oma nach Danby abgehauen, als sie sich mit ihrer Mam gestritten hatte. Vielleicht würde sich also rausstellen, daß sie wieder weggelaufen war. Und selbst, als die Tage vergingen und wir nix von ihr hörten, dachten die meisten Leute, sie wäre vielleicht den Neb raufgeklettert und in eins der Löcher gefallen oder so. Die Polizei ließ Hunde los, die an ihrem Hemdchen schnüffelten, aber sie fanden keine Spur, die irgendwo hingeführt hätte. Das hielt Mr. Hardcastle nicht davon ab, jeden Tag mit seinen Collies rauszugehen und zu schreien und zu rufen. Sie hatten noch zwei kleinere Kinder, Jed und June, aber so wie er sich aufführte, konnte man meinen, er hätte alles auf der Welt verloren. Mein Dad sagte zwar, Mr. Hardcastle wäre nie ein richtiger Bauer gewesen, aber nun kümmerte er sich kaum noch um Hobholme, das ist ihr Hof. Aber weil er bloß einer von Mr. Pontifex’ Pächtern war, so wie Dad, und weil alles sowieso bald unter Wasser gesetzt werden sollte, glaube ich nicht, daß es wichtig war.
    Und Mrs. Hardcastle, die lief ständig im Wintle Wood herum und pflückte ganze Arme voll Diptam, mit dem man angeblich verschwundene Kinder wieder zurücklocken kann. Sie verteilte sie überall auf Hobholme, und als sie mit dem Blumendienst in der Kirche dran war, stellte sie auch da überall Diptam hin, was dem Pfarrer gar nicht gefiel, denn er meinte, das wäre heidnisch, aber er ließ die Blumen stehen, bis in der nächsten Woche jemand anders dran war.
    Die übrigen Leute im Tal nahmen bald wieder ihr normales Leben auf. Nicht, daß es ihnen egal gewesen wäre, aber für uns Kinder war es bei dem schönen Wetter einfach schwer, länger als ein paar Tage zu trauern, und die Erwachsenen waren alle viel mehr mit dem großen Umzug beschäftigt, als wir damals mitbekamen.
    Das war bloß noch ein paar Wochen hin, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Ich hatte Dinge aufgeschnappt – mehr, als mir bewußt war, und viel mehr, als ich wirklich verstehen konnte. Und die älteren Mädchen, wie Elsie Coe, freuten sich immer, wenn sie damit angeben konnten, wieviel sie wußten. Sie war es, die mir erzählte, daß es einen großen Streit um Entschädigungszahlungen gab, aber das kümmerte mich nicht weiter, weil mein Vater bloß Pächter war und Mr. Pontifex Low Beulah und Hobholme und all sein anderes Land in Dendale und oben auf Highcross Moor schon lange Zeit vorher verkauft hatte. Einige der anderen, die selbst Hofbesitzer waren, kämpften gegen die Wasserbehörde an. Vollidioten, sagte Dad. Er meinte, als Mr. Pontifex damals verkauft hatte, hätte es für die andern sowieso keine Hoffnung mehr gegeben, und nun könnten sie es dem alten Schweinehund ebensogut gleichtun. Mam meinte, er solle nicht so über Mr. Pontifex reden, vor allem, weil der ihm doch den ersten freien Hof in Danby versprochen hatte, und sie hätte gehört, daß Stirps End wohl bald dafür in Frage käme. Und Dad sagte, er würde es erst glauben, wenn’s passiert, der alte Drecksack hätte uns schon mal verkauft, und was sollte ihn davon abhalten, es noch mal zu tun?
    Er redete manchmal wirklich schlimme Sachen, mein Dad, vor allem, wenn er im »Holly Bush« gewesen war. Und Mam
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher