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Airborn 02 - Wolkenpiraten

Titel: Airborn 02 - Wolkenpiraten
Autoren: Kenneth Oppel
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1. Kapitel
Die Faust des Teufels
    Der Sturm braute sich über dem Indischen Ozean als finstere, hoch aufgetürmte Wolkenwand zusammen und versperrte unseren Kurs nach Westen. Wir waren zwar noch über zwanzig Meilen entfernt, doch seine Ausläufer hatten uns schon seit einer halben Stunde gebeutelt. Durch die großen Fenster der Führergondel beobachtete ich den wild tanzenden Horizont, während das Schiff um eine stabile Lage kämpfte. Der Sturm warnte uns, doch der Kapitän gab keinerlei Order, den Kurs zu ändern.
    Seit einem halben Tag waren wir von Jakarta aus unterwegs und unsere Frachträume hätten eigentlich voller Gummi sein sollen, aber einiges war schief gelaufen und nun flogen wir leer. Kapitän Tritus hatte eine saumäßige Laune. In dem einen Mundwinkel klemmte eine Zigarette, während er durch den anderen irgendetwas vor sich hin brummelte, wie er wohl seine Mannschaft mit leerem Bauch durchbringen und bezahlen sollte. Es war ihm gelungen, in Alexandria eine Ladung zu organisieren, und nun wollte er so bald wie möglich dort sein.
    »Wir stoßen durch«, sagte er dem Ersten Offizier, Mr Curtis. »Etwas weiter südlich ist der Sturm nicht so stark. Wir fliegen einfach rein und wieder raus.«
    Mr Curtis nickte, sagte aber nichts. Er sah aus, als wäre ihm etwas übel, aber eigentlich sah er immer so aus. Jeder würde so aussehen, wenn er auf der Treibgut unter Tritus angeheuert hätte. Der Kapitän war ein kleiner, stämmiger Mann mit fettigen, angegrauten Haarsträhnen, die unter seiner Mütze hervorstanden. Er machte nicht den Eindruck, aber er war jähzornig wie Rumpelstilzchen höchstpersönlich. Wenn er wütend wurde – und das wurde er oft –, fuchtelte er, die gewölbte Brust vorgereckt, mit geballter Faust in der Luft herum und bellte seine Befehle. Seine Mannschaft zog es vor, nur das Nötigste zu sagen. Die Leute machten, was ihnen aufgetragen wurde, rauchten mürrisch vor sich hin und füllten so die Führergondel beständig mit gelblichem Rauch. Sie wirkte wie der Warteraum zum Fegefeuer.
    Die Führergondel war sehr eng, ohne einen separaten Navigations- oder Funkraum. Der Navigator und ich arbeiteten an einem kleinen Tisch nahe der Rückwand. Eigentlich liebe ich ja den weiten Blick aus den Frontfenstern, aber in diesem Augenblick war der Blick nach draußen nicht gerade ermutigend.
    In einen Sturm zu fliegen, auch nicht in seine äußeren Bereiche, schien mir keine besonders gute Idee zu sein. Und das war kein gewöhnliches Unwetter. Jeder auf der Brücke wusste, was das war: die Faust des Teufels, ein nahezu immer währender Taifun, der das ganze Jahr über den Indischen Ozean wanderte. Er war berüchtigt und hatte seinen Namen bekommen, weil er Luftschiffe aus der Luft schlug.
    »Die Augen auf den Kompass, Mr Cruse«, ermahnte mich der Navigator, Mr Domville, mit ruhiger Stimme.
    Ich überprüfte die Nadel und gab unsere neue Richtung bekannt, die Mr Domville rasch auf der Karte eintrug. Unser Kurs glich langsam dem Gang eines betrunkenen Seemanns, hin und her im Kampf mit den heftigen Gegenwinden, die uns schwer bedrängten.
    Durch die Glasplatten im Boden der Gondel blickte ich auf die See neunhundert Fuß unter uns. Gischt wurde von den sich auftürmenden Brechern hochgeschleudert.
    Plötzlich ging ein weiterer Ruck durch das Schiff, und ich sah, wie die Kompassnadel herumwirbelte und unsere neue Richtung anzeigte. Selbst Kolumbus hätte Probleme gehabt, bei solchem Wetter den Kurs aufzuzeichnen.
    »Zweihunderteinundsiebzig Grad«, sagte ich laut.
    »Würden Sie jetzt lieber wieder in Paris sein, Mr Cruse?«, fragte mich der Navigator.
    »Ich bin immer am glücklichsten, wenn ich fliege«, antwortete ich ehrlich, denn ich war in der Luft geboren worden und bin dort mehr zu Hause als auf dem Boden.
    »Na ja, ich jedenfalls wäre jetzt lieber in Paris«, meinte der Navigator und lächelte, was selten genug vorkam.
    Von der gesamten Mannschaft mochte ich ihn am liebsten. Zugegeben, der jähzornige Kapitän und seine langweiligen, mürrischen Offiziere waren keine große Konkurrenz, aber Mr Domville war sowieso aus anderem Holz geschnitten. Er hatte eine weiche Stimme und wirkte eher weltfremd und zerbrechlich. Ständig rutschte ihm die Brille auf die Nasenspitze, so dass er die Angewohnheit hatte, den Kopf leicht in den Nacken zu legen, um besser sehen zu können. Er hatte einen trockenen Husten, den ich auf den ständigen Qualm in der Führergondel zurückführte. Ich schaute gern
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