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Airborn 02 - Wolkenpiraten

Titel: Airborn 02 - Wolkenpiraten
Autoren: Kenneth Oppel
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wohl keinen in der Führergondel, der nicht schon von der Hyperion gehört hatte. Sie war zur Legende geworden, ebenso wie die Marie Celeste oder die Kolossus – Schiffe, die von einem Hafen aufgestiegen waren und niemals ihr Ziel erreicht hatten. Die Hyperion , so hieß es, sollte große Reichtümer mit sich führen. Sie könnte abgestürzt sein oder von Piraten ausgeplündert, doch niemals waren irgendwelche Wrackteile gefunden worden. Über die Jahre hinweg hatten immer wieder Luftmatrosen behauptet, sie hätten sie gesehen, immer nur flüchtig und nur von weitem, meistens in nebligen Nächten. Noch bevor ich geboren war, hatte es eine berühmte Fotografie gegeben. Sie sollte die Hyperion zeigen, gesichtet über der Irischen See. Mein Vater hatte mir die Fotografie in einem Buch gezeigt. Später war sie dann als Fälschung entlarvt worden. Die Hyperion war ein Geisterschiff, eine gute Geschichte – aber nicht mehr.
    »Das ist sie«, sagte der Kapitän. »Mein Gott, ich glaube, das ist sie. Schauen Sie selbst!« Er hielt das Fernglas seinem Ersten Offizier hin. »Curtis, können Sie den Namen erkennen?«
    »Nein, nicht eindeutig, Kapitän.«
    »Sie sind ja halb blind, Mann, ist doch sonnenklar! Cruse, komm her! Es heißt, du hättest junge, scharfe Augen. Schau hin!«
    Eifrig eilte ich zu den Vorderfenstern der Führergondel und nahm das Fernglas. Als ich auf der Aurora gefahren war, hatte ich viele Stunden als Ausguck im Krähennest verbracht. Daher hatte ich viel Erfahrung mit dem Fernglas. Ehe ich es vor mein Gesicht hob, suchte ich das Schiff mit dem bloßen Auge. Ich schätzte, dass es mehr als drei Meilen entfernt war, denn es wirkte nicht länger als eine Zigarette. Blass hob es sich vor der Düsternis der fernen Sturmfront ab. Schnell, bevor sich die Positionen veränderten, hob ich die Linse vor das Auge. Obwohl ich breitbeinig und sicher dastand und beide Hände fest um das Fernglas gelegt hatte, war es nicht einfach, das Schiff ins Blickfeld zu bekommen. Jedes Mal, wenn ich kurz davor war, neigte und rüttelte sich die Treibgut und mein Blick glitt ab in den Himmel und die Wolken.
    Es waren nur flüchtige Eindrücke, die ich erwischen konnte: eine riesige Motorgondel, die Farbe durch Wind und Wetter abgeblättert, von Rost überzogen. Die Führergondel fast ganz von Eis ummantelt. Licht blitzte in einer zerbrochenen Fensterscheibe auf. Vom Wind gebleichte Buchstaben auf der abgeschabten Haut: Hyperion .
    »Sie ist es«, flüsterte ich.
    Allein sie zu sehen jagte mir einen Schauder über den Rücken. Wie konnte sie noch immer dort oben sein, so hoch? Welche Geistermannschaft flog mit ihr schon über vierzig Jahre lang durch den Himmel?
    »Wir kriegen sie!«, sagte der Kapitän. »Mr Domville, markieren Sie ihre Position auf der Karte! Mr Curtis, bereiten Sie den Abwurf von Ballast vor.«
    »Sir, wir fliegen schon auf unserer maximalen Höhe«, erinnerte ihn der Erste Offizier.
    »Es ist die Hyperion , Mr Curtis. Allen Berichten nach ist sie eine fliegende Schatztruhe. Ich beabsichtige, unser Bergungsrecht in Anspruch zu nehmen. Wir holen sie ins Schlepp.«
    Seine Worte lösten keinerlei Begeisterungsstürme aus, doch niemand traute sich, ihm zu widersprechen.
    »Wir haben schon fast unseren gesamten Ballast abgeworfen«, setzte Mr Curtis unsicher wieder an. »Um sie zu erreichen, müssten wir alles abwerfen.«
    »Also dann. Die Hyperion ist unser Ballast, wenn wir sie runterbringen.«
    »Aber wir müssen auch noch mehr Hydrium ablassen, damit die Gaszellen nicht zerreißen.«
    »Richtig, Mr Curtis.«
    »Sir, wir sind dann vielleicht zu schwer, wenn wir tiefer fliegen.«
    »Treibstoff kann auch abgelassen werden. Befolgen Sie meine Anweisungen. Mehr wird nicht von Ihnen erwartet.«
    Fast ohne zu atmen verfolgte ich diesen Schlagabtausch, denn es war klar, wie versessen Kapitän Tritus darauf war, die Hyperion zu erreichen. Für die Reichtümer dort würde er sein und unser aller Leben riskieren. Als Mr Curtis nichts mehr sagte, konnte ich meine Zunge nicht länger im Zaum halten.
    »Sir, darf ich dazu etwas bemerken?«
    Er starrte mich wortlos an und ich beeilte mich fortzufahren: »Bei zwanzigtausend Fuß könnte die Treibgut Schaden nehmen. Ihre Motoren sind nicht für eine so große Höhe konstruiert worden. Und die Mannschaft …«
    »Das reicht, Cruse. Denk dran, dass du Praktikant bist und hier nur geduldet.«
    »Sir, ich mache mir einfach Sorgen, dass die Höhenkrank…«
    »Zurück auf deinen
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