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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen
Autoren: Bernhard Fritz
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halsbrecherischen Manövern unterschiedlichste Zweiräder. Vor ihr parkten teilweise in Zweierreihen Fahrzeuge.
    Überall hasteten Menschen, Touristen mit und ohne Kofferkuli, Flughafenangestellte, Reiseleiter mit einem Rattenschwanz von Urlaubern hintendran auf dem Weg zu einem der Busse.
    Dazwischen - Vera traute ihren Augen nicht - zwei Polizisten, die mit den Händen auf dem Rücken gemütlich durch diese Anarchie schlenderten und keinerlei Anstalten machten, regulierend einzugreifen.
    Allerdings, und das bemerkte sie auch sehr schnell, funktionierte alles mit einer bemerkenswerten Reibungslosigkeit.
    Gewiss, der eigentliche Verkehrslärm war enorm, aber man hörte kein Gehupe, kein Geschrei oder Geschimpfe, keine quietschenden Reifen, kein Motoraufheulen. Jeder schien mit jedem und mit der Gesamtsituation klar zu kommen.
    Erstaunlich, fand Vera.
     
    Erst später sollte sie für diese und andere Formen des organisierten und wie geschmiert funktionierenden Chaos den Begriff „Greek System“ kennen lernen.
     
    Schließlich gelang es Vera, ein Taxi zu ergattern.
    Aufatmend ließ sie sich im klimatisierten Innenraum in die Polster des Beifahrersitzes fallen.
    Der Fahrer schaute sie fragend an. „Rhodos, please“, sagte sie.
    Der Fahrer grinste leicht. „You are already on Rhodos“, sagte er in fast akzentfreiem Englisch.
    Sie biss sich auf die Unterlippe. Na klar, sie war schon auf der INSEL Rhodos und wollte jetzt noch in die STADT Rhodos. Genauso gut hätte sie zu einem Taxifahrer auf dem Alexanderplatz sagen können, dass sie nach Berlin möchte!
    „Rhodos Town! Center“, sagte sie mit einem entschuldigenden Augenaufschlag.
    „Ne, Mandraki!“ Der Fahrer nickte, trat aufs Gas und fädelte sich in den Verkehr ein.
    Sie war ein wenig verwirrt. Wieso hatte der Fahrer jetzt ihren Wunsch mit einem entschiedenen „Ne!“ abgeschmettert und fuhr trotzdem los?
    Und wo war „Mandraki“?
    Sie verwünschte den spontanen Charakter dieses Urlaubs. Sie hatte keine Zeit gehabt, sich ein wenig auf Sprache und Urlaubsort einzustimmen, wie es sonst eigentlich ihre Art war.
    So war sie nun das erste Mal in Griechenland und dazu gänzlich unvorbereitet, was sie noch hin und wieder bedauern sollte.
     
    Immerhin war sie unterwegs und die grobe Richtung stimmte: Es ging Richtung Stadt, wie sie anhand der Straßenschilder feststellen konnte, die zu ihrem Glück zweisprachig waren.
    Denn mit „ΡΟΔΟΣ“ alleine hätte sie nichts anfangen können.
     
    Später sollte sich Vera stets amüsiert daran erinnern, dass diese erste Fahrt in die Stadt für sie eine Art Kulturschock war.
    Der Verkehr hatte zwar etwas abgenommen, als sie den Dunstkreis des Flughafens verließen, war aber immer noch enorm und gehorchte geheimnisvollen Regeln.
    Der Fahrer war zu Veras heimlichem Entsetzen offensichtlich hochgradig multitasking-fähig. Seine beiden Hände waren eigentlich nie gleichzeitig am Steuer.
    Eine hielt entweder Handy oder Funkmikrophon oder eine Zigarette oder einen Becher mit anscheinend kaltem Kaffee oder eine beliebige Kombination dieser Accessoires.
    Dazu kamen unverständliche Gespräche mit Handy- oder Funkpartner, Manipulationen am Radio, aus dem fremdartige Musik drang, zu der der Fahrer ab und zu laut und (für Veras Ohren falsch) mitsang. Das alles, gepaart mit einem mehr als zügigen Fahrstil, trug nicht gerade zu ihrer Entspannung bei.
    Am Rückspiegel baumelte eine Art Rosenkranz.
    „Den braucht der Typ auch“, dachte sie bei sich.
     
    Zwischen zwei Schlucken aus seinem weißen Kunststoffbecher wendete der Fahrer den Kopf zu ihr.
    „Where are you from?“, wollte er wissen.
    „Deutschland, Germany“ sagte Sie.
    „Ah, Germania“, lachte der Fahrer, „dann Deutsch sprechen. Habe acht Jahre in Deutschland gelebt, wissen Sie. Meine Eltern haben in Düsseldorf ein Restaurant. Letztes Jahr ich zurück nach Rhodos. Ich mache hier auch Restaurant auf. Fischtaverne, verstehen sie? Vorher muss ich noch Geld verdienen, deshalb fahre nebenher Taxi.“
    Sein Deutsch war ziemlich gut und nahezu akzentfrei. Wie schon vorher sein Englisch.
    „Machen sie Urlaub hier?“ Der Fahrer war offensichtlich auf Small Talk aus, Vera aber nicht.
    „Nein“ antwortete sie knapp. „Ich muss einen persönlichen Verlust verarbeiten, das ist kein Urlaub!“
    „Verstehe.“ sagte der Fahrer.
    Vera bezweifelte das.
    Sie schwiegen beide. Die Fahrt ging die Küste entlang Richtung Nordosten. Rechts auf einem Berg thronte ein riesiges
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