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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen
Autoren: Bernhard Fritz
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bevor der ihrige mit ihm Bekanntschaft machen musste?
    Sie versuchte schaudernd, den Gedanken zu verdrängen.
    Sie versuchte auch, die restlichen Missstände zu übersehen.
    Die Überschwemmung im Bad trotz des Duschvorhangs, da dieser ein paar Zentimeter weit über den Umfang der Wanne hinausragte und das von ihm abfließende Wasser somit zuverlässig außerhalb ablud, wo es sich erst einen Weg zum Gully bahnen musste, den Vera auch erst entdeckte, nachdem sie den triefnassen Badvorleger hochgehoben hatte.
    Den äußerst instabilen Deckel der Toilette, der ihr mehrmals ins Kreuz geknallt war, bevor sie ihn mit Zahnseide am Spülkasten festband.
    Die trübe Funzel über dem Spiegel, die Steckdose, zu der der Stecker ihres Föns nicht richtig passte, das hängemattenweiche Bett.
    Irgendwie schaffte sie es noch, das alles innerlich als eine Art Lokalkolorit abzutun.
    Als ihr aber beim Öffnen der Schranktüre diese entgegenkam, weil das obere Scharnier versagte, gingen ihr die Nerven durch.
    „Scheiße! Vergammeltes Drecksteil, verdammtes!“ Sie fluchte und trat mit dem Fuß gegen die Schranktür. Absolut nicht ladylike, aber zum Abreagieren ideal.
    Auch wenn dabei das untere Scharnier nun auch seinen Dienst quittierte und die Schranktüre freigab, so dass diese der Schwerkraft Richtung Boden folgte.
    Vera grinste grimmig. Jetzt ging es ihr etwas besser! Würde sie jetzt noch irgendwo zuerst etwas Kühles und dann einen Kaffee bekommen, wäre das Leben wieder halbwegs lebenswert.
     
    Sie zog sich um und warf noch schnell einen Blick in den Spiegel, der sich an der Innenseite der Zimmertür befand und im Gegensatz zum Badspiegel erstens nicht halbblind war und zweitens eine Betrachtung von Kopf bis Fuß erlaubte.
    Allerdings war er durch zwei lange Sprünge, die ihn quer durchzogen, in drei Sektionen mit unterschiedlichen Reflektionsrichtungen unterteilt, was dem Spiegelbild eine gewisse Surrealität verlieh.
    Immerhin konnte Vera sich und ihr Outfit kurz überprüfen, bevor sie „die Zelle“, wie sie Zimmer 17 mittlerweile getauft hatte, verließ.
    Der Spiegel warf verzerrt das Bild einer mittelgroßen, schlanken, aber wohlproportionierten jungen Frau mit kurzgeschnittenem Blondhaar in einer leichten Sommerhose, T-Shirt und Sandalen zurück.
    Vera war sechsundzwanzig Jahre alt und nach übereinstimmender Meinung ihrer Clique ausgesprochen hübsch.
    Sie selbst allerdings fand ihre Nase zu spitz und die Sommersprossen drum herum zu zahlreich.
    Ihre beste Freundin Elke meinte dazu nur immer lapidar: „Wenn ich deine Traumfigur bekommen könnte, würde ich noch doppelt so viele Sommersprossen dazu in Kauf nehmen!“
    Vera streckte ihrem fraktalen Spiegelbild die Zunge heraus und ging nach unten.
    Der Empfang war leer, aber im Nebenraum hinter einem Vorhang rumorte es. Anscheinend war der Mann von vorhin dort zugange. Am Schlüsselbord hingen alle Schlüssel, außer ihrer Nummer 17.
    Sie legt ihren Schlüssel auf den Tresen und trat durch die morbide Tür hinaus.
    Wieder dieser Überfall auf ihre Sinne. Lärm, Hitze, Abgase, Hektik. Es dauerte aber nur ein paar Minuten und es kam ihr nicht mehr so schlimm vor wie am Vormittag.
    „Du akklimatisierst dich, Mädchen“, dachte sie sich.
    Den Weg zurück zum Taxibahnhof fand sie problemlos. An der Ecke Richtung Hafen war ein Kiosk. Sie kaufte sich einen Stadtplan und einen kleinen Reiseführer und fühlte sich nun schon weitaus besser gewappnet.
    Vom Kiosk aus konnte sie erkennen, dass die dem Hafen zugewandte Seite des angejahrten Gebäudes mit dem Innenhof eine Anzahl arkadenüberdachter Cafes beherbergte.
    Ja!
    Das war das heutige Tagesziel!
    Vera steuerte darauf zu.
    Die Cafes unter den Arkaden sahen alle äußerst einladend aus, mit bequemen Stühlen an kleinen Tischen. Vera entschied sich für das erstbeste und nahm Platz.
    Nach kurzem Studium der Speisekarte entschied sie sich für ein Käsesandwich und ein kleines Bier.
    Erst jetzt bemerkte sie, wie hungrig sie war. Das schnelle Frühstück zu Hause und das „Kindergartenessen“, wie sie die Verpflegung im Flugzeug immer nannte, lagen schon ziemlich lange zurück.
    Das Sandwich schmeckte hervorragend, das Bier dazu wirkte als schierer Lebensretter. Nachdem der erste Hunger gestillt war und das Bier sie in eine friedliche Stimmung versetzt hatte, entschied sie sich, noch Kaffee und Kuchen folgen zu lassen.
    Auf einen Wink von ihr eilte ein Kellner herbei. Schon bei der ersten Bestellung hatte sie festgestellt,
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