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Das Dorf der Katzen

Das Dorf der Katzen

Titel: Das Dorf der Katzen
Autoren: Bernhard Fritz
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vollendeter Gentleman hatte sich den ganzen Abend über äußerst dezent im Hintergrund gehalten und war praktisch unsichtbar und unhörbar gewesen, aber am Morgen fand er, dass es jetzt gut sei mit dem Versteckspiel und als Vera und Martin am Frühstückstisch saßen, kam er flott zur Küchentür herein und pflanzte sich auffordernd vor dem Küchenschrank auf, wo sein Futter aufbewahrt wurde.
    „Du hast eine Katze?“, hatte Martin geradezu angewidert gefragt.
    Wäre Saphir eine riesengroße Küchenschabe gewesen, wären sein Gesichtsausdruck und Tonfall wahrscheinlich nicht viel anders gewesen.
    „Einen Kater“, verbesserte Vera. „Darf ich vorstellen: Martin, das ist Saphir. Saphir, das ist Martin!“
    „Sehr witzig“, hatte Martin geblafft. „Warum hast du mir nicht von Anfang an gesagt, dass du eine Katze hast?“
    „Einen Kater“, hatte Vera ihn nochmals und mit Nachdruck verbessert. Ihre anfängliche Verwunderung über Martins schroffe Reaktion auf Saphir wich Verärgerung.
    „Egal, Katze oder Kater. Nur damit du es weißt: ich bin allergisch gegen Katzen und damit auch gegen dein haariges schwarzes Katervieh. Du musst dich schon entscheiden: ich oder er!“
    Seinen verblüfften Gesichtsausdruck würde Vera nie vergessen, als er schneller, als ihm lieb war, vor der Wohnungstür stand, sie ihm noch seine Schuhe in die Hand drückte und dann die Tür vor der Nase zuschlug. Als sie sich umdrehte, saß Saphir mitten im Flur, hielt den Kopf leicht schräg und funkelte sie aus seinen blauen Augen an.
    „Gut gemacht. Der wäre eh’ nichts für uns gewesen“, klang es in ihrem Kopf auf.
    Waren das gerade ihre Gedanken gewesen? Sie konnte später nicht mehr sagen, was sie in diesem Moment empfunden hatte. Natürlich, dieses Lob ob des Rausschmisses von Martin war zwar in ihrem Kopf zu vernehmen gewesen, aber hatte SIE das gedacht?
    Natürlich! Wer sonst?
    Ihr Blick war wieder zu Saphir gewandert, dessen Augen sie weiterhin unverwandt fixierten.
    Saphir?
    Saphirs Gedanken?
    In ihrem Kopf?
    Sie hatte gelacht und diese Idee wieder verworfen. „Wir sind hier nicht in einem Science-Fiction Film mit Gedanken lesenden Katzen“, hatte sie gemurmelt. „Da könnte ich ja gleich als Katzenflüsterin im Zirkus auftreten!“ Aber eine gewisse Unsicherheit war doch zurückgeblieben und auch das Gefühl, Saphir könne sich ihr vielleicht auch auf andere Weise, nicht nur durch Körpersprache und Laute, mitteilen.
    Es war aber nur ein vages Gefühl, keine Sicherheit. Und so kam es, dass sie diesen Gedanken letztendlich doch wieder von sich schob, verdrängte und schließlich vergaß.
     
    Und überhaupt: wer sieht sich schon gerne mit der Tatsache konfrontiert, dass sein Kater mit ihm spricht?
     
    Sie hatte den Vorfall mit Martin und ihre skurrile Schlussfolgerung daraus schließlich schon wieder vergessen, als jener Abend kam, an dem Saphir wieder einmal vor der Küchenschranktür saß und energisch sein Abendessen einforderte. Als sie die Schranktür öffnete und nach dem Dosenfutter griff, hörte sie deutlich „Huhn, bitte!“
    Es klang plötzlich in ihrem Kopf auf, so, als ob jemand im Raum gesprochen hätte. Die Stimme war neutral, ein wenig unmoduliert, aber ganz klar und deutlich. So wie damals, nachdem sie Martin vor die Tür gesetzt hatte. Ihr Blick war ungläubig zu Saphir gewandert, der wieder mit schief gehaltenem Kopf neben ihr saß und sie durchdringend ansah.
    „Huhn bitte!“
    Noch mal diese Aufforderung. Sie war so schockiert, dass sie mechanisch und ohne hinzusehen zu einer anderen Dose - mit Thunfisch - griff.
    „Nein! Huhn!“
    Da kniete sie nun neben ihrem Kater auf dem Küchenboden und hörte Stimmen, ach was: offensichtlich seine Stimme!
    „Ich schnappe über“, dachte sie sich.
    Aber dann wollte sie es wissen und gab absichtlich den Thunfisch in Saphirs Napf.
    Er schaute das Futter nicht mal an.
    „Nein, nein, nein! Das darf nicht wahr sein“, dachte sie. „Jetzt bestellt mein Kater bei mir wie im Restaurant!“
    Ihre Hände begannen merklich zu zittern. Schließlich warf sie den Thunfisch weg und füllte Huhn in den Napf.
    Saphir stürzte sich darauf.
    „Na also, endlich“, hörte sie. Und dann: „Danke!“
     
    Für einen Moment hatte sie gedacht, verrückt zu werden oder es schon zu sein. Jetzt war es höchste Zeit für ein paar tiefe Atemzüge am offenen Fenster und vor allem für einen eiskalten Waschlappen ins Genick!
    Nachdem sie sich wieder einigermaßen ins Lot gebracht
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