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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition)
Autoren: Ewald Arenz
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weichen Rhythmus auf und ab, dass Lilli unwillkürlich und unvermittelt ein völlig anderes, sehr erotisches Bild vor Augen hatte und merkte, wie ihr eine flüchtige Hitze in die Wangen stieg. Ein Panther. Mitten in Berlin. Lilli verstand jetzt, worüber von Schubert vorhin fast unmerklich gelächelt hatte. Es war ein fast diebisches Vergnügen gewesen, eine Vorfreude auf die Gesichter der ach so weltstädtischen Herren.
    »Ein Panther!«, sagte jetzt einer von ihnen in einem Ton völliger Verblüffung, und ein paar andere lachten. Der Bann war gebrochen. Plötzlich brauste es. Alle riefen durcheinander.
    »Sprechen Sie Deutsch?«
    »Euer Majestät …«
    »Müller, Die Weltbühne . Wie stehen Majestät zur Judenfrage …«
    Dann, klar und hell und in Berliner Schnauze:
    »Kiek ma hier rüber!«
    Das war einer der Photographen gewesen. Von Schubert hatte es förmlich herumgerissen, und er war wohl schon drauf und dran, den Delinquenten für immer aus dem Haus zu weisen, aber dann sah er, dass der den Panther gemeint hatte und nun mit hochrotem Gesicht dastand. Der Emir hatte sich ihm nämlich zugewandt, wortlos, und dann wieder zu den anderen gesehen. Lilli unterdrückte ein Lachen und machte sich eilig Notizen. Was für ein Glück, dass sie auf die Schule der Englischen Fräulein gegangen war.
    »May I ask a question, Your Majesty?«, rief sie klar und deutlich.
    Blitzlichter glühten auf. Kameraverschlüsse klickten. Die Saaldiener zuckten zusammen, als sie das eilige Schleifen von Stativbeinen auf dem Parkett hörten.
    Der Emir hatte sich zu Lilli gedreht und nickte knapp. Er sah wirklich gut aus, fand sie.
    »Kornfeld, Berliner Illustrirte Zeitung «, stellte sie sich kurz vor, »would you mind telling our readers what you brought a panther for?«
    Der Emir sah Lilli kurz und prüfend an. Sie gab dem Blick nicht nach. Dann hob er flüchtig die Augenbraue, wandte sich um und sagte leise zwei Sätze zu von Schubert. Dieser lächelte kurz und richtete sich auf. Es wurde leiser. Nur die Kameraverschlüsse klickten immer weiter.
    »Seine Majestät, der Emir Faisal, meint«, sagte von Schubert jetzt wieder völlig gefasst, »dass die arabische Politik viel zu schwierig sei, um sie bei einem Pressetermin von einer Viertelstunde zu erklären; noch dazu in Europa. Deshalb hat sich Seine Majestät angewöhnt, zu solchen Anlässen regelmäßig einen Panther mitzunehmen, um für die Damen und Herren der Presse ein geeignetes Gesprächsthema zu haben.«
    Der Saal lachte. Der Emir verzog keine Miene, aber von Schubert sah zu Lilli hinüber und nickte ihr zu. Lilli lächelte. Von Schubert rief jetzt einen Reporter nach dem anderen auf, und dann kam es doch noch zur Politik. Lilli schrieb fleißig mit. Es lohnte sich, die anderen fragen zu lassen; man bekam dann meist mehr mit, als wenn man selber fragte. Aber die Leser ihrer Zeitung wollten sowieso nicht wissen, was in Palästina geschah. Die wollten den Panther des Emirs auf einem möglichst großen Bild sehen und wissen, wo der Emir essen war und ob er den Dolch an seinem Gürtel schon mal gebraucht hatte. Sensationen. Exotische Bilder. Sie sah hinüber zu Hertwig, aber der war schon auf die Knie gegangen, um den Panther von unten zu bekommen, auf den konnte man sich verlassen. Faisal sprach von der Notwendigkeit, sich mit Weizman zu versöhnen, wenn man dauerhaften Frieden im Nahen Osten wollte. Von Schubert übersetzte für die Kollegen, die nicht Englisch sprachen. Lilli hatte den Notizblock in die Handtasche gesteckt. Sie war fertig. Der Panther hatte sich in eines der hellen Vierecke unter den Fenstern gesetzt. Es war etwas von Verlorenheit um ihn. Die Haarspitzen seines Fells glitzerten in der Sonne, und Lilli empfand zum zweiten Mal an diesem Tag das Gefühl eines flüchtigen Mitleids – der Panther passte hier genauso wenig hin wie die beiden Saaldiener. Schließlich war die Pressekonferenz beendet. Der Emir hatte sich kaum zum Gehen umgedreht, der Panther war kaum widerwillig aufgestanden, als alles Interesse schon wieder verflogen war, die Photographen schon geräuschvoll ihre Stative zusammenklappten, die Kollegen schon aus dem Saal drängten und Zigaretten angesteckt wurden. Von Schubert fing Lil-
lis Blick auf und gab ihr ein Zeichen, sie solle noch bleiben. Dann hielt er dem Emir die hohen Türen auf und begleitete ihn durch den Konferenzraum aus dem Saal. Für einen Augenblick war Lilli allein. Die plötzliche Stille, zusammen mit der kühlen, reinen
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