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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition)
Autoren: Ewald Arenz
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Schuberts und Hindenburgs und so weiter. Es ist Kriegslogik, nach der man sterben muss, um zu beweisen, dass man liebt. Du wolltest leben, um mich wiederzusehen.«
    »Vielleicht habe ich nicht einmal an dich gedacht!«, sagte Paul fast verzweifelt.
    »Paul«, sagte Lilli jetzt fest, »es ist vorbei. Ich habe überhaupt kein Recht, dir etwas vorzuwerfen.«
    Paul sagte nichts, aber er ließ die Hand unter ihrer liegen, bis sie sie schließlich selber zurückzog. Er vermied ihren Blick. Sie trank einen Schluck Mokka. Die Schülerinnen im Hintergrund hatten sich geeinigt und eine Abgesandte ausgewählt, die sich Kästner nähern sollte. Lilli konnte ein innerliches Lächeln nicht unterdrücken. Sie wusste, wie Kästner auf so etwas reagierte. Arme Schülerinnen!
    »Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte Paul.
    Lilli sah zu ihm hin. Er holte ein schwarzes Tüchlein aus der Jackentasche, das er jetzt auseinanderfaltete. Ein Ring kam zum Vorschein. Ein Diamantring.
    »Ich kann das nicht annehmen«, sagte Lilli heftig, »das weißt du.«
    »Warte«, sagte Paul und nahm den Ring hoch. Er gab ihn Lilli.
    »Halte ihn ins Licht.«
    Der Diamant war nicht groß, und sie erkannte, dass er in sehr ungewöhnlicher Art geschliffen war. Nicht als Brillant, das konnte sie sehen. Es gab keine Oberfläche. Er sprühte von Licht so sehr, dass es war, als sähe man auf eine große Schneefläche. Und er war weiß.
    »Ich habe ihn wie den Sancy-Diamanten geschliffen, weil ich nicht weiß …«, sagte er und stockte. Dann fuhr er schnell fort, ohne sie dabei anzusehen:
    »Weil ich nicht weiß, ob wir uns je wiedersehen werden. Eine Erinnerung an das, was wir eigentlich sein wollen.«
    Lilli betrachtete den Diamanten und das, was Paul gesagt hatte, klang in ihr nach. Was wollte sie sein? Sie legte den Diamanten auf das Tischtuch in einen der Sonnenflecke. Lichtreflexe waren auf allem, was auf dem Tisch stand: auf den Mokkatassen, auf dem Tischtuch, auf ihren Händen. Sie dachte daran, dass sie mit Schambacher geschlafen hatte. Sie dachte daran, wie Wilhelm erst zurückgekommen war, als Paul die Diamanten schliff. Sie dachte an ihre Mutter, die noch immer nicht wusste, dass Wilhelm noch lebte. Sie dachte an Schambacher, der sie geliebt und dabei benutzt hatte, sie dachte daran, dass sie von Paul geglaubt hatte, er sei ein Mörder.
    »Wir bräuchten alle so einen Diamanten«, sagte sie sehr leise.
    »Na ja«, sagte Paul mit einem Anflug dieses jungenhaften Lächelns, das sie schon an ihm gemocht hatte, als er wirklich noch ein Junge war, und drehte seine Hände, »ich kann schlecht einen Dia-
mantring tragen.«
    Sie schwiegen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Lilli wusste nicht, was sie sagen sollte. Das kam, weil sie auch nicht genau wusste, was sie fühlte. Der Diamant lag noch immer zwischen ihnen auf dem Tisch. Paul sah, dass sie keine Anstalten machte, den Ring zu nehmen. Er lehnte sich zurück und schaute hinüber zu dem Tisch, an dem die Schülerinnen gesessen hatten, die aber jetzt gezahlt hatten und eine von ihnen trösteten, die in Tränen aufgelöst war. Kästner trank ungerührt seinen Kaffee.
    »Ich muss gehen«, sagte Paul. Lilli nickte. Der Kellner kam, er zahlte, und sie standen auf. Paul half ihr höflich in den Mantel. Ihre Handschuhe lagen neben dem Ring, den er nicht wieder genommen hatte. Sie wusste, dass er ihn nicht nehmen würde, aber sie konnte es auch nicht. Paul zog den Mantel an und setzte den Hut auf, ohne noch einmal hinzusehen. Dann reichte er ihr die Hand.
    »Leb wohl, Lilli«, sagte er warm.
    »Paul«, erwiderte sie, aber er sagte lächelnd: »Lass nur, Lilli.«
    Dann gingen sie. Der Diamantring lag auf dem Tisch. Paul hielt ihr die Türe auf, und sie traten hinaus in den hellen Tag. Der Turm der Gedächtniskirche ragte hoch in einen blauen Himmel. Überall glitzerte es. Ohne einen weiteren Gruß ging Paul nach links. Lilli sah ihm nach und wusste noch immer nicht, was sie tun sollte. Langsam drehte sie sich um und ging auf die U-Bahnstation zu. Sie wollte eben die Straße überqueren, als sie hinter sich Laufschritte hörte und sich umdrehte. Es war der Kellner aus dem Romanischen Café .
    »Gott sei Dank!«, sagte er atemlos. »Gnädige Frau haben ihren Ring vergessen.«
    Er reichte ihn ihr. Sie wollte etwas sagen, aber da stand er, strahlend, weil er sie vor einem großen Verlust bewahrt glaubte. Da musste Lilli lachen. Das Schicksal wollte es wohl nicht anders.
    »Danke!«, sagte sie und kramte in ihrer
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