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Das Camp

Titel: Das Camp
Autoren: Harald Tondern
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an.
    Frau Dr. Schrein lächelte. »Die beiden mögen sich«, sagte sie leise. »Wie schön für Benni.«
    Vielleicht zwei Stunden später verkündete Frau Dr. Schrein, nachdem sie mindestens zehn weitere Telefongespräche geführt hatte: »Wir bringen zuerst Benjamin nach Hause. Deine Mutter freut sich schon auf dich, Benni.«

    Ein paar Sekunden lang war es still im Wagen. Dann stellte Luk endlich die Frage, die ihn schon seit einer ganzen Weile beschäftigte.
    »Und ich? Wo bringen Sie mich hin?«
    Frau Dr. Schrein zögerte kurz. »Ich würde dich gern bei mir unterbringen, Luk. Aber das geht nicht. Du bist mein Mandant. Außerdem habe ich nur eine Dreizimmerwohnung. Für meinen Sohn und mich.«
    »Schon gut«, sagte Luk schnell.
    »Er kann erst mal bei uns wohnen«, schaltete Judith sich ein. »Meine Mutter hat bestimmt nichts dagegen, glaub ich.«
    Die Anwältin schüttelte den Kopf. »Das ist nett von dir, Judith. Aber Lukas muss lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Ich hab vorhin ein bisschen rumtelefoniert.« Sie sah Luk an. »Ich habe einen Platz in einer Jugendwohnung für dich gefunden. Da kannst du erst mal die nächsten Wochen überbrücken bis zu deinem Prozess. Obwohl … ich glaub eigentlich nicht, dass es überhaupt noch zu einem Prozess kommt. Allenfalls gegen Harley und seine Leute. Aber da würde man dich natürlich nur als Zeugen laden. Dich natürlich auch, Benjamin.« Sie sah auf ihr Navi. »Übrigens, wir sind gleich da.«
    Luk drehte sich nach hinten um. Er wollte fragen, ob die beiden noch schnell ein paar Cracker haben wollten. Aber Benni war wieder in sich zusammengesunken. Judith hielt seine Hand.
    »Das wird schon wieder«, sagte die Anwältin leise.
    Das Navi führte sie durch die Vororte einer Stadt, in der Luk nie zuvor gewesen war. Sie kamen in eine 30-Kilometer-Zone. Frau Dr. Schrein ging mit der Geschwindigkeit runter. »Sie nähern sich Ihrem Ziel«, sagte die Frauenstimme des Navigationsgerätes.
    Vor dem Eingang eines weiß gestrichenen Hochhauses
stand eine unruhige Frau in einem zu großen Pullover. Nervös sah sie immer wieder auf die Armbanduhr.
    Die Anwältin stoppte ein paar Schritte von ihr entfernt und stieg aus. Mit ausgestreckter Hand ging sie lächelnd auf sie zu. Doch die Frau sah die Hand gar nicht. Sie beugte sich ein wenig vor und versuchte, ins Innere des Wagens zu schauen. Plötzlich lief sie auf das Auto zu, riss die hintere Tür auf und sah ihren Sohn an.
    »Ach, Benni, wenn du wüsstest …« Sie beugte sich in den Wagen hinein und nahm Benjamin in die Arme. »Wenn du wüsstest, wie ich auf diesen Moment …«
    Dann hielten sich die beiden schluchzend in den Armen und gleichzeitig lachten sie.
    Judith war auf der anderen Seite ausgestiegen und ging zu Frau Dr. Schrein hinüber, die ein paar Schritte entfernt am Straßenrand stand. Erst im letzten Moment sah Judith, dass die Anwältin schon wieder ihr Handy am Ohr hatte. Sie änderte die Richtung und gab Luk einen Wink.
    Luk stieg ebenfalls aus. Er schlug die Wagentür aber nicht zu, um Benni und seine Mutter nicht in ihrer Wiedersehensfreude zu stören.
    Er wollte zu Judith hinübergehen. Doch da bemerkte er den silbergrauen Mercedes auf der anderen Straßenseite. Auf der Beifahrerseite war eine Frau ausgestiegen. Seine Mutter. Jetzt wurde auch die Fahrertür aufgestoßen. Sein Vater stieg aus.
    Über die Straße hinweg sahen sie sich an. Luk spürte seine Schultern steif werden.
    Aber dann setzten sie sich alle drei fast gleichzeitig in Bewegung und liefen aufeinander zu. Sein Vater, der ein kleines bisschen länger gezögert hatte, ließ sogar die Autotür weit offen.

43
    Der Prozess gegen Harley und seine Leute fand mehr als ein Dreivierteljahr später statt. Harley saß in U-Haft. Luk hockte zusammen mit Benjamin und Judith auf einer Bank auf dem Gerichtsflur, als Harley und die anderen vorbeigeführt wurden. Harley übersah Luk demonstrativ. Er trug Handschellen.
    Lukas wohnte seit der Rückkehr aus dem Camp wieder zu Hause in seinem alten Zimmer. Die Jugendwohnung, in der Frau Dr. Schrein einen Raum für ihn organisiert hatte, hatte er nie gesehen.
    Luk ging wieder zur Schule, obgleich der Direktor und das Kollegium sich eigentlich einig gewesen waren, ihn auf keinen Fall wieder aufzunehmen. Es hatte Unmutsäußerungen von Eltern gegeben.
    Aber Luk war sogar wieder in seine alte Klasse gekommen. Judith hatte das durchgeboxt. Sie hatte eine regelrechte Kampagne unter den Schülerinnen und Schülern in
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