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Das Camp

Titel: Das Camp
Autoren: Harald Tondern
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erzählt ihr mir, was eigentlich passiert ist. Weshalb ihr euch aus dem Erziehungslager entfernt habt. Aber bitte die Kurzfassung. Zu den Details kommen wir später.«

40
    Am Eingangstor des Camps setzte Frau Dr. Schrein ihren Daumen auf die Hupe und hörte erst damit auf, als zwei Wachleute heraustraten. Sie bewegten sich betont langsam.
Jeder hatte einen Schäferhund dabei. Ungestüm zerrten die Tiere an der Leine.
    »Was soll der Krach? Sie befinden sich hier auf Privatgelände. Zutritt verboten!«
    Der andere machte seinen Schäferhund los. Das Tier schoss laut knurrend auf den Wagen zu und rannte einmal um das Auto herum. Luk zuckte zusammen, als der Kopf des Hundes direkt an seinem Fenster erschien. Er fühlte sich an die Nacht erinnert, als er hier an diesem Tor von den beiden Transporteuren ins Camp eingeliefert worden war.
    Die Anwältin ließ sich von dem Auftritt nicht im Geringsten beeindrucken. Sie ließ die Seitenscheibe einige Zentimeter heruntergleiten. »Ich hoffe, Sie sind gut versichert. Für jeden Kratzer, den Ihr Hund auf dem Lack hinterlässt, bekommen Sie eine Rechnung. So, und jetzt möchte ich sofort den Leiter dieser … äh … Einrichtung sprechen.«
    »Der ist nicht da.«
    »Okay, dann rufe ich jetzt jemanden an.« Sie zeigte ihr Handy. »Ihr Chef wird nicht gerade begeistert sein, wenn hier gleich mit Blaulicht und Sirene die Polizei anrauscht, um mich vor Ihren Hunden zu retten. Die Polizisten werden mir dann auch Zutritt zu Ihrem Camp verschaffen. Ich habe eine richterliche Anordnung zu überbringen.«
    Während sie redete, hantierte sie an ihrem Handy. Plötzlich blitzte es. Sie hatte Judith fotografiert, wie sie erschrocken den Schäferhund anstarrte, der Zentimeter von ihr entfernt mit gefletschten Zähnen gegen die Seitenscheibe sprang.
    »Die Fotos schicke ich übrigens gleich an die Redaktion der Bildzeitung .« Es blitzte erneut. Sie hatte das nächste Foto geschossen. »Dort lieben sie solche Aufnahmen.«
    Die beiden Männer tauschten schnelle Blicke. Sie riefen den Hund zurück und verschwanden eilig durch die Tür,
durch die sie gekommen waren. Einen Moment später schwang das große Tor auf und die Anwältin gab Gas.
    Diesmal zog der Chef des Lagers sein Jackett an. Er nahm es von der Rückenlehne seines Schreibtischsessels, fuhr mit den Armen in die Ärmel und lächelte erfreut, während er ihnen mit ausgestreckter Hand entgegenkam.
    »Rollmann!«, stellte er sich vor. »Was kann ich für Sie tun?«
    Die Anwältin übersah die Hand cool. »Dr. Alice Schrein. Ich vertrete Herrn Benjamin Bahr und habe Ihnen diese richterliche Entlassungsverfügung zuzustellen.« Sie öffnete ihre rote Schultertasche und nahm einen Brief heraus.
    Der Lagerleiter ging hinter seinen Schreibtisch und ließ sich auf seinem Sessel nieder. Während er den Umschlag öffnete, deutete er auf die Besuchersessel. »Nehmen Sie doch bitte Platz!«
    Er war noch genauso braun gebrannt wie bei Luks erstem Zusammentreffen mit ihm in diesem Raum. Nur dass er jetzt weniger selbstsicher wirkte.
    »Ungewöhnlich«, sagte er. »Normalerweise erfahren wir es einige Wochen im Voraus, wenn einer unserer Jungs entlassen werden soll. Damit wir sie auf die Welt dort draußen angemessen vorbereiten können.«
    Die Anwältin lächelte. »Oder damit Sie noch ein paar Tausender an Ihnen verdienen können, vermute ich? Aber daraus wird nichts. Ich nehme Benjamin sofort mit.«
    Das Lächeln verschwand aus dem Gesicht des Chefs. »Ich werde das bei der zuständigen Behörde überprüfen lassen.«
    Alice Schrein ignorierte den Einwand. »Und Lukas nehme ich ebenfalls mit.«
    Der Chef erhob sich ärgerlich. »Dann haben Sie sicher auch für ihn eine richterliche Entlassungsverfügung?«

    Die Anwältin trat an das Fenster neben dem Schreibtisch und schaute hinaus. »Wie schön dieser Ausblick«, meinte sie fast beiläufig. »Ich sehe keinen einzigen Zaun dort draußen.«
    »Den brauchen wir auch nicht«, versicherte der Lagerleiter stolz. »Alle unsere Zöglinge sind freiwillig hier.«
    Die Rechtsanwältin wandte sich zu ihm um. Sie lächelte spöttisch. »Dann können die Jungs ja selbst entscheiden, ob sie hierbleiben wollen oder nicht. Also, Luk, wie steht’s?«
    »Moment, Moment!« Der Chef kam hinter seinem Schreibtisch hervor. Er hatte wieder sein gewinnendes Lächeln aufgesetzt. »Junge«, sagte er, während er Luk beide Hände auf die Schultern legte. »Mach jetzt keinen Fehler. Du weißt, dass ich mir Sorgen um dich
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