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Das Camp

Titel: Das Camp
Autoren: Harald Tondern
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hätten, was in dem Camp abging. Dass sie sich bedauerlicherweise nicht ausreichend informiert hätten.
    Allein schon bei der Vorstellung, dass sie so was versuchen
könnten, ging ihm die Galle hoch. Ja, er war wütend auf seine Eltern. So wütend, dass er keine Ahnung hatte, wie sie da je wieder rausfinden sollten. Er fürchtete sich geradezu vor dem Wiedersehen mit ihnen. Wie würde er sich dann verhalten? Würde er gar nichts sagen? Einfach bockig den Mund halten und sie nicht ansehen können? Oder, ganz anders, würde er auf sie losgehen und auf sie einschlagen, weil sie ihm das angetan hatten? Er wusste es nicht. Und es machte auch keinen Sinn, dass er jetzt irgendwelche Entscheidungen traf, wie er sich verhalten wollte. Da hatte sich viel zu viel in ihn eingegraben, als dass er noch die Kontrolle über sich hatte. Aber irgendwie musste er es schaffen, dass er nichts tat, was er für den Rest seines Lebens bereuen würde.
    Es war schon fast komisch, aus irgendeinem verrückten Grund fühlte er sich sicher in diesem Auto, mit dem sie jetzt über die Autobahn brausten. Nein, »sicher« traf es nicht ganz. Aufgehoben fühlte er sich. Er sah auf den Hinterkopf der Anwältin vor ihm, die natürlich schon wieder telefonierte. Er wusste überhaupt nicht, wie er darauf kam, aber er hatte das Gefühl, dass er sich auf sie verlassen konnte. Dass sie ihm helfen würde, wenn er Hilfe brauchte.
    Mit Judith ging es ihm merkwürdigerweise genauso. Sie drehte sich gerade um und grinste ihn an, bevor sie nach Benni sah. Wer weiß, wo er jetzt wäre, wenn sie die Anwältin nicht mobilisiert hätte.
    Und Benni? Der war wieder eingepennt.
    Was hatte Judith gesagt, als sie ihn hinter den Büschen gefunden hatte? Er schnorchelt. Genau das machte Benni jetzt auch. Ein komisches kleines Geräusch kam aus seinem Mund. Luk streckte die Hand aus und berührte Bennis Unterarm. Er musste das einfach tun.
    Benni zuckte zusammen, schrak hoch. Luk fürchtete schon,
ihn geweckt zu haben. Aber dann sank Bennis Kinn wieder nach unten und er schnorchelte weiter.
    Um ein Haar wäre er ertrunken, dachte Luk. Ermordet von ein paar Idioten, denen es absolut egal war, was sie da taten.

42
    An der ersten Raststätte auf der Autobahn fuhr Frau Dr. Schrein an eine Zapfsäule und tankte. Als sie von der Kasse kam, schleppte sie zwei rote Plastiktüten mit Keksen, Nüssen und Wasserflaschen. Luk lief ihr entgegen und nahm ihr die Tüten ab.
    Sie waren alle ausgestiegen, um sich nach der langen Fahrt ein wenig die Beine zu vertreten.
    »Tut mir leid«, sagte Alice Schrein. »Ich würde euch ja gern zu Currywurst und Pommes einladen, aber wir müssen weiter. Ich hab noch Termine heute.«
    Luk wollte wieder hinten einsteigen, doch sein Platz war schon besetzt.
    »Ich dachte, du möchtest lieber vorne sitzen«, sagte Judith. Sie grinste ihn an. »Da sitzt ihr Kerle doch immer so gern.«
    Luk wollte schon protestieren. Sie konnte ihn doch nicht einfach vor vollendete Tatsachen stellen. Dann begriff er. Sie interessierte sich für Benni.
    »Na gut«, sagte er, war sich aber überhaupt nicht sicher, ob er es wirklich gut fand. War das etwa Eifersucht?
    Die Anwältin fädelte sich geschickt wieder in den zunehmenden Verkehr auf der Autobahn ein. Sie blieb gerade mal
100 Meter auf der rechten Spur, dann gab sie Gas und zog rüber auf die Überholspur.
    »Ich hab für jeden eine große Flasche Mineralwasser gekauft«, sagte sie. »Vielleicht verteilst du die mal, Luk. Bei den anderen Sachen weiß ich nicht so recht. Am besten, jeder sucht sich aus, was er am liebsten mag.«
    Luk wühlte in den Tragetaschen herum und fischte eine der Tüten heraus. » Nuss-Frucht-Mischung «, las er vor.
    Keiner zeigte Interesse.
    Nur Frau Dr. Schrein streckte die Hand aus. »Die war eigentlich für mich gedacht. Ich bin Vegetarierin.«
    »Echt?«, fragte Benni von hinten. »Sie trinken keine Milch und essen kein Fleisch?«
    »Doch, Milch trinke ich schon. Aber Fleisch? Nie!«
    Luk zog als Nächstes eine Packung Käse-Cracker aus den Plastiktüten. Sofort streckten Judith und Benjamin ihre Hände danach aus.
    »Meinem Sohn verbiete ich so was«, sagte Frau Dr. Schrein. »Aber ich denke mal, ihr seid nach all diesen Monaten auf Entzug.«
    Luk reichte die Packung nach hinten weiter. Benjamin und Judith fielen übereinander her und rangelten darum, wer sie öffnen durfte.
    »Na, Gott sei Dank«, sagte die Anwältin leise. Sie beobachtete die beiden im Rückspiegel.
    Luk sah sie erstaunt
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