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Das Büro

Das Büro

Titel: Das Büro
Autoren: J.J. Voskuil
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Unklarheiten im Text, die er zum Teil seinem mangelhaften Wissen über das Thema, zum Teil seinen unzureichenden Deutschkenntnissen zuschrieb. Als er den Aufsatz zu Ende gelesen hatte, hatte er nicht einmal ein Zehntel davon verstanden. Er lehnte sich zurück und sah gedankenverloren vor sich hin, in dem Gefühl, ohne Karte und Kompass am Rand eines unwirtlichen Gebiets zu stehen. Beerta hatte aufgehört zu tippen. Maarten sah, wie er einen Federhalter in ein Tintenfässchen tauchte und sich vornüberbeugtezu seinem Papier. Die Feder kratzte. Er richtete sich auf, faltete das Papier auf ein Viertel seiner Größe, steckte es in einen Umschlag, leckte an seinen Fingern und klebte den Umschlag zu. Während er das tat, drehte er sich langsam um und sah über seine Brille hinweg zu Maarten. „Du weißt, dass du an deinem Geburtstag eine Stunde früher nach Hause darfst?“, sagte er.
     
    Seine Schwiegermutter saß im vorderen Zimmer, in einem Streifen Sonne, der durch die Gardinen hereinfiel, Nicolien im Stuhl vor der Zwischentür zum hinteren Zimmer und sah ihn hereinkommen, als er die Haustür öffnete. „Ha, die Jansen“, sagte er zu seiner Schwiegermutter.
    „Ha, der Pietersen“, antwortete sie, während er sich zu ihr hinüberbeugte und ihr einen Kuss gab. „Noch meine herzlichen Gratuladingsbums.“
    Er lachte und gab Nicolien ebenfalls einen Kuss.
    „Du bist früh“, sagte sie. „Wie war es?“
    „Weil ich Geburtstag habe.“
    „Wie war es?“, wiederholte sie.
    „Erst eben umziehen.“ Er schloss die Zwischenvorhänge, zog sich um und wusch sich die Hände.
    „Und du hast auch eine Stelle, nicht?“, sagte seine Schwiegermutter, als er wieder in das Zimmer kam.
    Er nickte.
    „Ach Junge, wie schön! Darauf nehmen wir doch sicher einen?“
    Er lachte.
    „Und, wie war es?“, fragte Nicolien gespannt.
    Er setzte sich aufs Sofa. „Idiotisch.“
    „Idiotisch?“ In ihrer Stimme lag Entrüstung. „Nicht schrecklich?“
    „Ach – schrecklich.“ Das Wort war ihm zu groß. Wenn es schrecklich wäre, wäre der Gedanke, dort morgen wieder hinzumüssen, völlig unerträglich.
    „Und was musst du da jetzt machen?“, fragte seine Schwiegermutter.
    Er sah sie an. „Ich muss einen Text über die Wichtelmännchen schreiben.“
    „Über die Wichtelmännchen?“ Sie lachte ungläubig. „Du verkohlst mich.“
    „Ich verkohle Sie niemals.“
    „Über Wichtelmännchen! Ein erwachsener Mann!“
    Er lachte verlegen, aber auch amüsiert. „Glauben Sie nicht an Wichtelmännchen?“
    „Ach, du verrückter Junge, hör doch auf. Wichtelmännchen!“
    „Aber als Sie noch jung waren, saßen da keine Wichtelmännchen in den Scheveninger Bosjes?“
    Sie lachte, ohne zu antworten. Es war deutlich, dass sie dachte, er würde sie auf den Arm nehmen.
    „In den Wäldern von Pex gab es sie schon“, beharrte er. „Da war ein Baum mit einem Loch darin, und wenn wir daran vorbeikamen, habe ich in das Loch gerufen“ – er machte die Stimme eines Kindes nach – „‚Wichtelmännchen, Wichtelmännchen!‘ Später haben sie Maschendraht davorgespannt. Da sind sie verschwunden.“
    „Ach, Kindergeschwätz.“
    „Und wenn Kinder und Narren nun die Wahrheit sagen?“
    „Quälgeist. Das darfst du nicht.“
    „Deine Mutter glaubt nicht mehr an Wichtelmännchen“, sagte er zu Nicolien, die gerade wieder den Raum betrat.
    „Solltest du nicht lieber mal einen Schnaps einschenken?“, gab sie zurück. Er merkte, dass sie sich ärgerte. Er vermutete, dass die Anwesenheit ihrer Mutter sie irritierte, aber das vermittelte ihm doch ein vages Gefühl von Schuld. Als ob er etwas getan hätte, was nicht in Ordnung war.
    *
    Gegen elf Uhr schob Beerta seinen Stuhl zur Seite und stand auf. Er holte einen kleinen Spiegel und einen Kamm aus seiner Tasche, wandte sich dem Licht zu, kämmte sich und warf noch einen kurzen Blick auf sein Gesicht. Er packte seine Tasche, eine dünne, braune Aktentasche, und drehte sich, die Tasche steif neben sich, zu Maarten um. „Ich fahre jetzt zu einer Sitzung nach Arnheim“, er blinzelte mit einem Auge, presste die Lippen zusammen und stotterte kurz, bevorer seinen Satz fortführte, „ich werde wohl nicht vor Büroschluss zurück sein, aber wenn jemand anruft, kannst du sagen, dass ich heute Abend zu Hause zu erreichen bin.“
    Maarten nickte. „Ich werde es ausrichten.“
    „Das sei dir geraten.“ Er ging mit kleinen Schritten zur Tür. „Bis morgen.“
    „Wiedersehen, Herr
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