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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Autoren: Kai Meyer
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damit. Insgeheim fragte ich mich, was wohl die Mongolin auf die umgekehrte Frage geantwortet hätte; ich denke, ich kenne die Antwort. Nach dem Tode Khur Shahs hatte Sinaida alle Gefühle, abgesehen vom Hass, in der Schatulle ihres Herzens verschlossen.
    Nach einer Weile ließ ich Libuse allein am Grab zurück, um ihr Zeit zu geben, gebührenden Abschied zu nehmen. Es war nicht der erste an diesem Tag, und mich hatte eine seltsame innere Ruhe erfasst. Es fällt schwer, um jemanden zu trauern, der einem lediglich ein treuer Begleiter war, wenn man sich kurz zuvor von einem Menschen verabschieden musste, den man geliebt hat.
    Albertus konnte nicht länger warten und bedrängte mich mit Fragen. Ich wollte ihm alles erzählen, sobald sich Libuse zu uns gesellte. Dem aber kamen die Qurana zuvor, die uns gleich darauf vor ihren Schamanen führten. Sinaida wa r d ie Einzige gewesen, die die Sprache dieser Menschen gesprochen hatte, und ich war nicht sicher, was uns bevorstand. Würden uns die Qurana doch noch töten, weil wir ihnen nicht mitteilen konnten, was sich im Herzen der Rub al-Khali zugetragen hatte? Weil uns sogar in unserer eigenen Sprache die Worte dafür fehlten, erst recht aber in einer, die uns so fremd war wie die Wüstenstämme?
    Es fällt mir schwer, zu beschreiben, was dann geschah. Der Schamane sah uns lange an, und mir war, als drängte sich etwas in meine Gedanken. Ob er sie lesen konnte? Ich weiß es nicht. Selbst jetzt, Tage später, während unseres Weges zurück in die Heimat, fehlt mir jede Erklärung für das, was er tat. Fest steht, dass er nach einer Weile von uns ließ und mehrere Krieger abstellte, die uns sicher zurück zur Küste führen sollten.
    Blieb nur noch, Albertus alles zu erzählen.
    Was aus Favola geworden war, wollte er wissen. Und aus der Lumina. Und was wir gesehen hatten. Falls wir etwas gesehen hatten.
    » Nicht Gott «, sagte ich.
    » Was dann? «, fragte er.
    *
    Die Aufgabe, ihm Bericht zu erstatten, blieb anfangs mir überlassen. Libuse hörte zu, nickte dann und wann, schwieg aber die meiste Zeit über.
    Und dies ist, was ich Albertus erzählte:
    Favola und ich hatten uns durch die dunkle Wüste zum vierten Tal im Sand geschleppt, und es war ein mühsamer Weg gewesen, denn meine eigene Kraft ließ nach und Favolas war gänzlich geschwunden. Schließlich sahen wir Shadhans Feuer am Grund des Sandkraters, und weil wir – soweit es mich betraf – keine Waffen besaßen und auch nicht de n W unsch zu kämpfen hegten, gingen wir geradewegs zu ihm hin. Er benahm sich seltsam, war sehr ruhig, und dann zeigte er uns die verwelkte Lumina. Sie war eingegangen, schon am Vortag.
    An dieser Stelle sanken Albertus ’ Züge ein, er war so grau wie das ausgebrannte Feuer des Schamanen. Wahrscheinlich sei die Pflanze schon viel früher abgestorben, sagte er, bald nach der Trennung von Favola. Doch ich widersprach, denn ich war sicher, die Qurana hätten Shadhan nicht ziehen lassen, wäre die Lumina beim Tod der Turgauden nicht noch am Leben gewesen. Darauf schwieg Albertus, und ich konnte meine Schilderung fortsetzen.
    Ich berichtete ihm, wie Favola beim Anblick der welken Pflanze allen Mut und den Rest ihrer Lebenskraft verlor. Sie sank neben der Lumina zu Boden, und ich war sicher, der Zeitpunkt ihres Todes sei gekommen. Da stürzte ich mich auf Shadhan, denn die Wut, die mich überkam, überschattete alle Vernunft. Andernorts und unter besseren Umständen hätte ich wohl nachgedacht, bevor ich handelte. So aber folgte ich nur meinem Herzen und rang mit ihm und wünschte ihm den Tod. Denn war es nicht das, was er Favola angetan hatte? Auge um Auge, sagt die Heilige Schrift.
    Einen Kampf konnte man es wohl nicht nennen, gestand ich dem Magister, denn der Nizari war mir trotz seines Alters überlegen. Er warf mich zu Boden und drückte mir die Kehle zu, und ich war sicher, dass auch ich nun sterben würde. Ich dachte an Libuse, wünschte mir, noch einmal ihr Gesicht zu sehen und ihre Hand zu halten.
    Ein Hohn des Schicksals war es, dass im selben Augenblick, als mir der letzte Atemzug entfleuchen wollte, ein Rest von Leben sich in Favola regte. Ich sah nicht, wie sie es tat, denn da war mir längst schwarz vor Augen. Plötzlich ließ Shadhan von mir ab, und als ich wieder sehen konnte, war er fort. Favola lag bei mir und zwischen uns der blutige Dolch, den si e u nter ihrem Gewand getragen und dem Nizari in den Rücken gestoßen hatte.
    So lagen wir da, als Libuse uns fand. Favola regte
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