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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
Autoren: Kai Meyer
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sich, sie hatte noch immer nicht endgültig aufgegeben, doch ein weiteres Aufbäumen würde es nicht geben. Ich flehte Libuse an, das Erdlicht heraufzubeschwören, wie sie es schon einmal getan hatte, damals in den Minen der Silberfeste, als es uns den Weg gewiesen und neue Kraft gegeben hatte.
    » Aber da waren doch keine Bäume im Wüstenherzen «, wandte Albertus ein. Zugleich erschien ein Hoffnungsschimmer in seinen Augen. Wenn es keine Bäume gab, dann war da nur eine einzige andere Pflanze, die zur Beschwörung des Lichts infrage kam. Und musste dafür nicht doch ein winziger Hauch von Leben in ihr sein?
    Ich zögerte, bevor ich fortfuhr, sah den Magister lange an, wechselte einen Blick mit Libuse, dann wählte ich sorgfältig meine nächsten Worte.
    Tatsächlich sei es gelungen, das Erdlicht aus der welken Lumina zu beschwören, sagte ich. Es sei kein großes, überwältigendes Licht gewesen, wie man es sich vielleicht am Ende eines solchen Weges erhofft hätte, gewaltig und wunderbar. Nein, ein kleines, schwaches Licht war es, doch darin verbarg sich eine Macht, wie sie nur an einem wahrhaft heiligen Ort zum Ausbruch kommen konnte.
    Beinahe war mir, als sah ich das Licht, das meine Worte beschrieben, auch in des Magisters Blicken lodern. Seine Niedergeschlagenheit schwand mit jedem Atemzug, und statt ihrer wurde aus seiner Hoffnung Gewissheit.
    Das Erdlicht, so fuhr ich fort, glühte aus der Lumina empor, und nun, im Nachhinein, sei ich sicher, dass es doch mehr war als nur die Kraft dieser einen Pflanze, wie wundersam sie auch gewesen sein mochte. Vielmehr sei es mir vorgekommen, als suchte sie mit ihren zarten Wurzeladern die Macht dieses Ortes und aller Gewächse, die einstmals hier gewuchert hatten.
    Das Grün des Garten Eden!, entfuhr es dem Magister.
    Ja, sagte ich nach einem weiteren Blick auf Libuse, das sei es wohl gewesen. Unsichtbar unter dem Sand müsse noch immer die Erinnerung an das, was einst war, fortgelebt haben. Es hatte nur darauf gewartet, durch ein Wunder erweckt zu werden.
    Dann ist es also gelungen?, fragte Albertus.
    Libuse ergriff nun das Wort, was mir keineswegs unrecht war. In der Tat, so sagte sie, das Erdlicht habe erst die Lumina mit neuem Leben erfüllt und dann – ja, dann auch Favola.
    Aber wo –, begann der Magister und sprach nicht weiter, denn ihm dämmerte die Antwort.
    Favola und die Lumina, sie wurden eins, entgegnete Libuse. Favola war gestorben, bevor das Licht sie retten konnte, aber womöglich war ihr auch nie ein anderes Schicksal bestimmt gewesen. Denn dort, wo sie lag, aus ihrem Körper selbst, rankten sich die wunderbarsten Gewächse empor, prachtvolle Ranken und Knospen, die sich vor unseren Augen zu Blüten öffneten und bald schon herrliche Früchte trugen.
    Oh, ich wünschte, ich hätte es sehen dürfen, sagte der Magister berauscht von solcher Heiligkeit.
    Aber es war noch immer Favola, die da vor uns lag, sagte Libuse. Und es war Leben in ihr, in gewisser Weise jedenfalls. Ihre Hand hatte sich um die Lumina geschlossen, und ihre Finger erschienen uns jetzt selbst wie Blätter, und sie schlug die Augen auf und sah uns an, so voller Glück, bevor zwei Knospen daraus wurden, und ihr Mund, er lächelte zu uns empor, und dann sprach sie zu uns, halb Mensch, halb Pflanze, ganz Saat des neuen Eden.
    Was sprach sie?, fragte Albertus. Was hat sie gesagt?
    Dass es ihr das größte Glück sei, mit der Lumina vereint zu sein. Dass dies ihre Bestimmung war von Anfang an, und sie dankte uns, dass wir sie herbegleitet hatten und ihr treue Freunde und Beschützer waren.
    Und nach einem weiteren Blickwechsel mit Libuse fügte ich hinzu, dass sie besonders dem Magister gedankt habe, der von Anfang an das Heilige in ihr erkannt und alles getan habe, damit sie nun zu dem werden konnte, was ihr stets vorherbestimmt gewesen war.
    Bei diesen Worten schienen mir einen Herzschlag lang Zweifel in Albertus ’ Augen zu treten, so als wäre dies mehr, als er für wahr halten konnte. Doch sein Argwohn wurde gleich ausgelöscht von derselben Überzeugung, die ihn sein Leben lang geführt und uns alle hierher gebracht hatte.
    Favola habe uns gebeten zu gehen, erklärte Libuse, und die Kunde vom neuen Garten Eden hinaus in die Welt zu tragen. Das verlorene Paradies sei wiedergefunden, und irgendwann werde jedem offenbar werden, welcher Segen erneut über die Welt gekommen sei.
    Die Qurana würden gut darauf Acht geben, habe Favola gesagt. Sie würden den ersten Spross bewachen, wie sie
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