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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn
Autoren: John Stephens
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im Schlechten.
    Und dann tat Michael etwas, das ihn selbst überraschte. Er beugte sich vor und küsste die Elfenprinzessin. Ihre Lippen waren weich, und er wusste nicht, ob es Zauberei war oder etwas anderes, aber er fühlte Wärme auf seinen Wangen und Ohren, bis hinunter in seine Brust. »Danke«, flüsterte er, drehte sich um und ging an den Elfen vorbei in die Höhle. Die Wärme des Kusses nahm er mit sich.
    Nach ein paar Schritten stand er in tiefschwarzer Dunkelheit. Immer wieder stolperte er über den felsigen Boden, ging aber trotzdem weiter, eine Hand vor sich ausgestreckt und die Erinnerung an Kate klar und stark in seinen Gedanken. Irgendwann nahm Michael in der Ferne ein trübes, graues Licht wahr. Er steuerte darauf zu und die Dunkelheit ringsum wich zurück. Der Boden wurde glatt und eben. Er merkte, dass er nicht mehr in der Höhle war, sondern in einer Art Gang.
    Michael trat ins Licht und hielt die Luft an.
    Er stand im Mittelschiff einer riesigen alten Kirche. Schier endlos zogen sich die Säulenreihen dahin; hoch über ihm leuchteten unzählige Buntglasfenster und weit darüber wölbte sich die Decke. Merkwürdigerweise befanden sich entlang der Wände keine Beichtstühle, sondern Matratzen mit Decken und Kissen. Die Kirche schien verlassen zu sein.
    Und dann hörte Michael etwas, weit entfernt und schwach. Er hörte – Geigenspiel.
    Emma erwachte mit dem untrüglichen Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sie setzte sich auf und musterte ihre Umgebung. Ihr Gemach glich dem ihrer Schwester; es befand sich lediglich in einem anderen Baum, etwa hundert Meter von Kates Zimmer entfernt. Emma zog ein paar weiche Lederschuhe über, die sie von den Elfen geschenkt bekommen hatte, und trat aus ihrem Zimmer auf den Ast, der sowohl Balkon war als auch Brücke zu den anderen Baumzimmern. Das Wasser stand überall in kleinen Pfützen und tropfte von dem Blätterdach über ihrem Kopf. Es musste heftig geregnet haben – warum war sie nicht wach geworden? Emma durchfuhr ein Schreck bei der Vorstellung, dass sie einen ganzen Tag lang bis tief in die Nacht geschlafen haben könnte.
    Sie steuerte auf den Baum zu, wo sie ihren Bruder und ihre Schwester zurückgelassen hatte. Sie zwang sich, langsam zu gehen, weil die Pfade glitschig vor Regenwasser waren und die Nacht sie tiefschwarz und undurchdringlich umschloss. In Kates Raum angekommen, fand sie ihre Schwester so vor, wie sie sie verlassen hatte. Michael war nicht da; an seiner Stelle stand Gabriel neben Kates Bett. Er schien von seinen Wunden völlig genesen zu sein, und als er sich umdrehte, rannte Emma zu ihm und umarmte ihn. Sie sagte seinen Namen, wieder und wieder, und er hielt sie fest, sodass sie sich so geborgen fühlte wie lange nicht mehr. Selbst die Dunkelheit des nächtlichen Waldes schien sich ein wenig aufzuhellen.
    Emma trat einen Schritt zurück und wischte sich die Augen.
    »Was machst du hier? Ich dachte, du würdest noch schlafen.«
    »Ich bin aufgewacht und fühlte mich viel besser. Als ich von deiner Schwester hörte, musste ich einfach herkommen.«
    Immer noch Gabriels Hand haltend, kniete sich Emma neben das Bett. Die Stirn ihrer Schwester war glatt und friedlich. Der Tod hatte die Sorgenfalten ausgelöscht.
    »Wo ist Michael? Eigentlich wollte er heute Nacht bei ihr bleiben.«
    Gabriel schüttelte den Kopf. »Es war niemand da.«
    »Irgendwas stimmt nicht. Ich weiß es genau; Michael müsste hier sein.«
    Gabriel schwieg einen Moment. Es war, als ob er auf etwas in der Ferne lauschte, obwohl Emma nur das stetige Tropfen des Wassers hörte. »Ich glaube, er versucht, deine Schwester zurückzubringen«, sagte Gabriel schließlich.
    »Aber das hat er schon versucht! Er wollte ihren Namen in das Buch schreiben, aber es ging nicht!«
    »Es gibt noch einen anderen Weg. Einen gefährlichen Weg. Er könnte ihren Geist zu sich rufen. Vielleicht hat der Zauberer ihm gezeigt, wie es geht.«
    »Was? Warum haben sie mir nichts davon gesagt?«
    »Michael wollte dich bestimmt nur beschützen.«
    »Aber sie ist auch meine Schwester! Wir müssen ihn finden!«
    »Dann komm mit. Ich weiß, wo er ist. Und vielleicht braucht er unsere Hilfe.«
    Emma beugte sich vor und flüsterte Kate ins Ohr, dass sie sie liebe und bald zurückkommen werde. Dann stand sie auf und folgte Gabriel, der mit langen Schritten das Zimmer verließ.
    Michael ging auf die Quelle der Musik zu, durch den langen Mittelgang, vorbei an den Matratzen, durch eine Tür in den hinteren Teil
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