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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn
Autoren: John Stephens
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seiner Erinnerungen. Ich weiß zum Beispiel noch ganz genau, wann ihr euch das letzte Mal gesehen habt, besser gesagt: wann er dich das letzte Mal sah. Es war am Weihnachtsabend von zehn Jahren. Er trug dich und Emma aus dem Haus und legte euch in Stanislaus’ Wagen. Ihr beide habt geschlafen. Und ihr wart so klein.« Die Nebelgestalt schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Und ich habe auch seine Gedanken und Gefühle. Wenn er hier wäre und dich sehen könnte, würde er genau dasselbe denken wie ich jetzt.«
    »Und was wäre das?«, fragte Michael mit rauer Stimme. »Nur so aus Neugier …«
    »Wie sehr er sich wünschte, dass er hätte miterleben dürfen, wie du aufwächst.« Die Gestalt trat näher. »Michael, als wir dich aufgaben, haben deine Mutter und ich das getan, was wir für das Beste hielten. Aber diese Entscheidung hat uns jeden Tag in den vergangen zehn Jahren große Schmerzen zugefügt. Verglichen damit war die Gefangenschaft leicht zu ertragen.« Die Gestalt zuckte mit den Schultern. »Ist das Beweis genug?«
    Michael steckte in der Klemme. Er wollte glauben, das dies sein Vater war – oder sein Spiegelbild –, aber wie konnte er sicher sein?
    »Du hast also alle Erinnerungen meines Vaters, nicht wahr?«
    »Richtig. Du kannst mich alles fra-«
    »Wer ist König Killick?«
    »Wie bitte?«
    »Wer ist König Killick? Wenn du über die Erinnerungen meines Vaters verfügst, solltest du das wissen. Ich gebe dir einen Tipp: Er war ein berühmter Elfenkönig.«
    Die Gestalt starrte ihn an; Unverständnis breitete sich auf dem Gesicht aus. »Ich … habe nicht die geringste Ahnung.«
    Michael fühlte, wie etwas in seinem Inneren zerbrach.
    So , sagte er sich im Stillen, das wird dich lehren, der Hoffnung zu vertrauen.
    »Wenn du mich natürlich«, fuhr die Gestalt fort, »nach dem Zwergenkönig Killick gefragt hättest, könnte ich dir Rede und Antwort stehen. Von einem Elf namens Killick habe ich noch nie gehört. Kommt mir komisch vor, dass ein Elf nach einem Zwerg benannt ist …«
    »Was …?«
    »Es gibt übrigens ein Zitat von Killick, an das ich mich noch gut erinnere. Von dem Zwergenkönig meine ich. Er sagte: Ein großer Anführer lebt nicht in seinem Herzen, sondern –«
    » In seinem Kopf «, beendete Michael den Satz.
    »Genau! Du kennst das Zitat also auch! Warum hast du dann behauptet, dass Killick ein Elf …? Ach, jetzt verstehe ich: Du wolltest mich auf die Probe stellen! Habe ich bestanden?«
    Michael nickte. Er hatte seine Stimme nicht so weit in der Gewalt, dass er sich getraut hätte, etwas zu sagen.
    »Gut.« Die Nebelgestalt kniete sich vor Michael hin. »Dann hör mir jetzt zu. Deine Mutter und ich sind entkommen. Wie uns das gelang und wer uns dabei geholfen hat, ist nicht wichtig. Wir schicken dir und deinen Schwestern diese Botschaft, um euch wissen zu lassen, dass es uns gut geht. Wir glauben, dass wir das Versteck eines der Bücher kennen, und wir werden uns auf die Suche machen …«
    »Aber das müsst ihr nicht!«, platzte Michael heraus. »Ich habe es schon!«
    »Was meinst du damit?«
    »Wir waren bei Hugo Algernon. Wir haben das Grab in Malpesa gefunden. Ich habe die Chronik des Lebens! Siehst du?«
    Er hielt das Buch in die Höhe. Die Gestalt griff danach, hielt jedoch inne. Kleine Rauchfäden kräuselten sich von ihren Fingerspitzen. »Oh je.«
    »Was ist denn?«, erkundigte sich Michael.
    »Wir haben nicht mehr viel Zeit. Dieser Körper wird sich bald auflösen. Hör mir zu.« Der Geist legte die durchscheinenden Hände auf Michaels Schultern – oder besser gesagt: ließ sie kurz darüber schweben. »Es ist fantastisch, dass du das Buch Rubyn gefunden hast. Aber wir sind hinter dem letzten Buch her.«
    »Dem letzten …«
    »Wenn wir versagen – nein, hör zu: wenn wir versagen oder du es vor uns findest, lass nicht zu, dass Stanislaus alle drei Bücher zusammenbringt. Sie müssen voneinander getrennt bleiben. Wir haben bestimmte Dinge erfahren und wissen nicht genau, ob sie zutreffen, aber wir dürfen kein Risiko eingehen.« Michael wollte etwas sagen, aber der Geist hob abwehrend die Hand. »Du musst es nicht verstehen. Du musst es mir nur versprechen.«
    Michael nickte. Die Gestalt vor ihm wurde immer durchscheinender.
    »Aber .. du darfst nicht gehen …«
    »Ich fürchte, ich habe keine andere Wahl. Ich kann dir gar nicht sagen, wie stolz ich auf dich bin, wie stolz dein echter Vater wäre, wenn er jetzt hier sein könnte.«
    Michael konnte nicht glauben,
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