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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn
Autoren: John Stephens
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Eltern sie verlassen hatten oder warum sie nicht zurückkehrten. Aber dass sie zurückkommen und sie irgendwann einmal wieder eine Familie sein würden, daran hatten die Kinder nie gezweifelt.
    Es war Kates Aufgabe gewesen, auf ihren Bruder und ihre Schwester aufzupassen. Sie hatte es ihrer Mutter versprochen, die vor so vielen Jahren in jener Nacht am Weihnachtstag in ihr Zimmer gekommen war. Kate hatte es immer noch vor Augen: wie ihre Mutter sich über sie beugte und das goldene Medaillon um ihren zarten Hals legte. Und dann Kate das Versprechen abnahm, Michael und Emma zu behüten.
    Und Kate hatte ihr Versprechen gehalten, Jahr für Jahr, Waisenhaus um Waisenhaus, selbst als sie in größerer Gefahr schwebten, als sie sich je hatten vorstellen können, umringt von mächtigen Feinden.
    Aber was, wenn Dr. Pym jetzt nicht kam? Wie sollte sie Michael und Emma weiter beschützen?
    Doch er würde kommen, redete sie sich ein. Er hat uns nicht im Stich gelassen.
    Wenn das so ist , meldete sich eine kleine Stimme in ihrem Kopf, warum hat er euch dann hierher geschickt?
    Unwillkürlich wandte Kate sich um und schaute den Hügel hinab. Dort, zwischen den Bäumen hindurch, sah sie die baufällige Fassade und die schiefen Türmchen des Edgar Allan Poe Waisenhauses für schwer erziehbare Kinder.
    Zu Kates Verteidigung muss gesagt werden, dass sie Dr. Pyms Entscheidung, sie wieder hierher zu schicken, nur dann infrage stellte, wenn sie verzweifelt oder erschöpft war. Sie wusste, dass der Zauberer sie nicht wirklich verlassen hatte. Aber die Tatsache blieb: Von allen Waisenhäusern, in denen die Kinder über die Jahre untergekommen waren, war das Edgar Allan Poe Waisenhaus das schlimmste. Eiskalt im Winter, brütend heiß im Sommer, das Wasser aus den Leitungen war braun und schlammig, die Böden schmierig und verdreckt; durch die Decken regnete es herein, und das Gelände wurde von verwilderten Katzen durchstreift, die sich ständig kreischende und fauchende Kämpfe lieferten.
    Und als ob das nicht genug wäre, gab es da noch Miss Crumley, die pummelige Kate und ihre Geschwister aus tiefster Seele verabscheuende Leiterin des Waisenhauses. Miss Crumley hatte im letzten Jahr gehofft, sie habe sich ihrer endgültig entledigt. Als die drei einige Zeit später vor der Tür standen und ihr einen Brief von Dr. Pym überreichten, in dem dieser erklärte, dass das Waisenhaus in Cambridge Falls »wegen einer Schildkrötenplage« geschlossen werden musste, war sie ganz und gar nicht erfreut gewesen. Zumal Dr. Pym, der Miss Crumley bat, die Kinder »vorläufig« aufzunehmen, sich nicht darüber ausgelassen hatte, wie lange sie die Gören nun wieder am Hals haben würde.
    Miss Crumley hatte versucht, sich über diesen Punkt Klarheit zu verschaffen. Aber als sie Dr. Pym anrufen wollte, um ihm zu erklären, dass sie die Kinder unter keinen Umständen aufnehmen würde, hatte sie feststellen müssen, dass alle Informationen, die Dr. Pym ihr übermittelt hatte – die Telefonnummer des Waisenhauses, die Adresse und die Zeugnisse über die glücklichen und gesunden Kinder in seiner Obhut – aus ihren Akten verschwunden waren. Und weder die Telefongesellschaft noch irgendein Amt konnten Miss Crumley weiterhelfen, ja es sah ganz danach aus, als habe ein Ort namens Cambridge Falls niemals existiert. Schließlich musste Miss Crumley aufgeben. Aber sie ließ die Kinder spüren, dass sie nicht willkommen waren, und bei jeder sich bietenden Gelegenheit fing sie die Geschwister ab, drängte sie in irgendeine dunkle Ecke, pikste sie mit ihren dicken Fingern und überschüttete sie mit Fragen.
    »Wo genau liegt dieses Cambridge Falls?« – Piks – »Warum ist es auf keiner Karte verzeichnet?« – Piks – »Wer ist dieser Dr. Pym?« – Piks –
    »Ist er überhaupt ein richtiger Doktor?« – Piks –
    »Was ist da oben überhaupt geschehen? Ich weiß, dass da irgendwas nicht stimmt! Antwortet mir!« – Piks, piks, piks.
    Nachdem Miss Crumley ihr dreimal in einer Woche ein Büschel Haare ausgerissen hatte, schlug Emma vor, ihr doch einfach die Wahrheit zu sagen – dass Dr. Stanislaus Pym ein Zauberer war, dass Miss Crumley Cambridge Falls nicht auf der Karte finden konnte, weil es Teil der magischen Welt war, die sich vor der normalen Welt verbarg, und sie dort ein altes, in grünes Leder gebundenes Buch gefunden hatten, mit dem man durch die Zeit reisen konnte, dass sie mit Zwergen gegen unheimliche Monster und eine böse Hexe gekämpft und
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