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Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon

Titel: Das Buch ohne Staben - Anonymus: Buch ohne Staben - The Eye of the Moon
Autoren: Anonymus
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tätschelte Beth den Kopf.
    »Weißt du was, Honey?«, feixte sie. »Wenn es einen Wettbewerb für den größten Loser auf der Welt gäbe, kämst du an zweiter Stelle.«
    Das war das Ende für Beth. Tränen rannen über ihre Wangen, und ein mächtiger Schluchzer entrang sich ihrer Kehle. Jetzt blieb ihr nur noch aufzuspringen und aus der Halle zu rennen. Als sie davonrannte, hörte sie hinter sich alle lachen. Selbst die anderen Außenseiter lachten mit – wer nicht beim Lachen gesehen wurde, wäre Ulrikas nächstes Opfer. Niemand wollte in der gleichen Kategorie von Loser landen wie das Mädchen, das als Dorothy aus dem Zauberer von Oz zur Halloween-Party gekommen war.
    Als Beth durch die Doppeltür der Halle und nach draußen in den Korridor platzte, hatte sie das Gefühl, noch niemals so gedemütigt worden zu sein. Sie hatte ihre Stiefmutter angefleht, nicht so ein bescheuertes Kostüm für sie auszusuchen, doch ihr Flehen war auf taube Ohren gestoßen, wie Beth es von Anfang an gewusst hatte. Die Hexe hatte vor Schadenfreude gegackert, als Beth darum gebettelt hatte, etwas anderes anziehen zu dürfen. Alles – ihre öffentliche Demütigung, ihre tränenüberströmte Flucht aus der Halle – war die Schuld ihrer Stiefmutter. Beth wusste schon jetzt, dass die Hexe selbstzufrieden grinsen würde, sobald sie wieder zu Hause wäre, und hämisch anmerken, dass sie ihre Stieftochter gewarnt hätte, den Fehler zu begehen und zu erwarten, dass andere sie akzeptierten. Seit dem Tod ihres Vaters hatte ihre Stiefmutter sich daran ergötzt, Beth immer und immer wieder zu sagen, dass sie nichtsnutzig war. Und jetzt fühlte sie sich tatsächlich so. Sie begann zu verstehen, warum es Menschen gab, die sich das Leben nahmen. Manchmal war das Weiterleben einfach zu hart.
    Als sie durch den Korridor zum Haupteingang der Sporthalle stolperte in dem verzweifelten Bemühen, schleunigst von hier wegzukommen, um nicht mehr das sie verfolgende schallende Gelächter anhören zu müssen, rief jemand hinter ihr ihren Namen. Es war die Stimme, die zu hören sie sich den ganzen Abend gewünscht hatte. Der Junge aus der Klasse über ihr. Sie hatte ihn erst einmal reden hören, als er sie gefragt hatte, ob alles in Ordnung war, nachdem eine von Ulrikas Speichelleckerinnen ihr auf dem Schulhof ein Bein gestellt hatte und sie gestürzt war. Er hatte ihr aufgeholfen, sie gefragt, ob sie sich wehgetan hätte, und als sie nicht geantwortet hatte – weil es ihr die Sprache verschlagen hatte –, bloß gelächelt und war weitergegangen. Seit jenem Tag hatte sie sich die größten Vorwürfe gemacht, weil sie ihm nicht gedankt hatte, und sie hatte sich geschworen, einen Weg zu finden, mit ihm zu reden und ihm ihre Dankbarkeit dafür zu zeigen, dass er ihr geholfen hatte. Und jetzt war es wieder seine Stimme, die fragte: »Deine Mutter auch, wie?«
    Sie drehte sich um. Dort stand er, auf halbem Weg den Korridor hinunter, zwischen ihr und der Halle. Er war als bizarre Vogelscheuche verkleidet, mit einem spitzen braunen Hut auf dem Kopf, das Gesicht mit brauner Schminke bemalt, die wohl wie Schmutz aussehen sollte, und mit einer orangefarbenen, von einem Gummizug gehaltenen Pappkarotte auf der Nase. Sein Kostüm bestand im Grunde genommen nur aus braunen Lumpen, auch wenn er dazu ziemlich coole braune Stiefeletten trug.
    »Wa-?« war alles, was Beth hervorbrachte, während sie versuchte, sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen und nicht mehr ganz wie ein heulendes Elend auszusehen.
    »Meine Mutter ist auch so eine Zauberer-von-Oz -Verrückte«, sagte er und zeigte mit der Hand auf sich und seine Verkleidung. Endlich gelang es Beth, sich zu einem Lächeln zu zwingen, etwas, das ihr noch vor einer Minute unmöglich erschienen war. Sie blickte kläglich an sich und ihrem blauen Schürzenkleidchen mit der weißen Bluse hinunter. »Ich schätze, du hast das Kostüm nicht selbst ausgesucht, oder?«, fragte die Vogelscheuche.
    Beth stellte fest, dass es ihr erneut die Sprache verschlagen hatte. Das war der Augenblick, auf den sie hingearbeitet hatte. Den ganzen Abend hatte sie auf diese Gelegenheit gewartet und hatte eine bittere Demütigung hinnehmen müssen. Und jetzt, da er gekommen war, verlief nichts nach Plan. Sie hatte sich nicht vorgestellt, so verheult auszusehen und so furchtbar, auch wenn sie jetzt nicht mehr viel daran ändern konnte. Lieber Gott , dachte sie. Er denkt bestimmt, ich bin eine totale Dumpfbacke.
    »Zigarette?«, fragte der
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