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Das Buch mit dem Karfunkelstein

Das Buch mit dem Karfunkelstein

Titel: Das Buch mit dem Karfunkelstein
Autoren: dtv
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mit
     Agnes und Jakob beim Sortieren.
    »Paul!«, rief Agnes überrascht.
    Hastig blickte Paul sich um, ob er beobachtet wurde. Eigentlich hätte er ja gar nicht hier sein dürfen. Aber alles war ruhig
     und er zog die Tür hinter sich zu.
    Agnes winkte ihn zum Tisch. »Ich hab dich in deiner Kutte fast gar nicht erkannt! Das letzte Mal hattest du ein Seidenwams
     an und passende Beinlinge. Richtig elegant!«
    Großvater Bertram lachte. »Daran musst du dich gewöhnen, Agnes. Paul ist jetzt hier im Kloster, und da trägt er eben das,
     was alle hier tragen. Und, Junge? Wie geht es dir?«, wandte er sich an Paul. »Hast du dich eingelebt?«
    Paul schüttelte den Kopf. »Eigentlich nicht. Und die Kutte ist nicht das Schlimmste. Ich   …«
    Er stockte. Wo sollte er anfangen?
    »Setz dich und erzähl uns einfach alles!«, rief Hannes und klopfte auf die Bank.
    Großvater Bertram blickte Paul aufmerksam an. »Wo drückt der Schuh?«, fragte er. »Gleich an mehreren Stellen?«
    Paul ließ sich auf die Bank fallen. Er zögerte kurz, aber dann fing er an zu erzählen, was er seit dem Abend zuvor erlebt
     hatte. Das tat gut!
    »Was?«, fragte Jakob entgeistert. »Du sollst euer eigenes Buch gestohlen haben? Bruder Lambert ist doch wirklich nicht mehr
     zu retten!«
    »Na, vorsichtig!«, mahnte Großvater Bertram. »Pass auf, was du sagst, Jakob. Bruder Lambert ist Subprior und ein wichtiger
     Mann hier im Kloster.«
    »Der steckt doch seine spitze Nase in alles, was ihnnichts angeht!«, rief Jakob empört. »Ich weiß gar nicht, wie er das macht. Er sieht aus wie eine dicke Birne auf großen Füßen,
     aber er ist immer überall gleichzeitig und bekommt alles mit.
›Quid facis hic?‹«
Jakob ahmte Lamberts nörgelnde Stimme perfekt nach. »Das ist sein Lieblingssatz. Ich hab erst gar nicht gewusst, was er von
     mir wollte. So gut bin ich nicht in Latein. Dabei habe ich mir nur in den Ställen ein Pferd angesehen.«
    »Vielleicht ist er einfach nur neugierig?«, fragte Hannes und zuckte die Schultern.
    »Das darf er aber nicht. Er ist ein Mönch. Und Neugier ist ein Laster!«, widersprach Agnes.
    »Aber wer ständig hinter Säulen und Ecken steht und andere ausspioniert, ist doch neugierig!«, regte Jakob sich auf.
    »Mit uns geht er genauso um«, sagte Paul traurig. »Ich glaube, er kann Oblaten wie mich nicht leiden. Aber ich habe das Buch
     nicht gestohlen. Ich bin doch nicht verrückt. Mein Vater hat es dem Kloster geschenkt. In der Klosterkirche hatte ich das
     Buch und Vaters Bitturkunde in der Hand und um alles war das geweihte Altartuch geschlungen. Mein Vater hat mich vor Zeugen
     feierlich dem Kloster versprochen. Da stehle ich doch nicht ausgerechnet dieses Buch! Ich stehle überhaupt nichts!«, fügte
     er zutiefst gekränkt hinzu.
    »Nein, du ganz bestimmt nicht!«, sagte Jakob energisch.
    Nachdenkliche Stille verbreitete sich in dem nach Kräutern duftenden Raum.
    »Wieso musst du eigentlich ins Kloster?«, fragte Agnes schließlich. »Das wollte ich dich die ganze Zeit schon fragen. Du wolltest
     doch immer Kaufmann werden und am liebsten in eurem Kontor in Venedig arbeiten.«
    Paul verzog schmerzlich das Gesicht. Es stimmte. Das war sein sehnlichster Wunsch gewesen. Sein Vater hätte irgendwann seinem
     älteren Bruder Veith die Geschäfte zu Hause übergeben und er hätte in Italien nach dem Rechten gesehen. Seide, Brokat, Samt
     – er wusste alles über die kostbaren Stoffe, mit denen sein Vater handelte.
    »Richtig«, sagte er leise.
    »Ja, und warum dann das Kloster?«, hakte Jakob nach. »Ich wäre ja lieber in Venedig, da ist wenigstens was los!« Seine Augen
     blitzten unternehmungslustig.
    Großvater Bertram schüttelte leicht den Kopf und Jakob schwieg. Es war besser, es für Paul nicht noch schlimmer zu machen.
    Paul seufzte. »Mein Vater hat ein Gelübde getan«, erklärte er. »Im Frühjahr kam sein Handelsschiff aus Italien zurück, aber
     es konnte nicht in den Hafen der Hansestadt oben im Norden einfahren. Es war zu früh da, der Hafen war noch vereist und das
     Meer stürmisch. Es ist gefährlich, wenn ein Schiff auf der Nordsee warten muss, bis das Eis taut. Es gibt Seeräuber, die das
     ausnutzen. Und es kann im Sturm untergehen. Mein Vater war sehr besorgt.«
    Caspar Zwolle hatte fast sein ganzes Geld in die kostbare Ladung des Schiffes gesteckt. Wenn es untergingoder gekapert wurde, war er so gut wie ruiniert. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass einem Kaufmann so etwas
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