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Das Buch mit dem Karfunkelstein

Das Buch mit dem Karfunkelstein

Titel: Das Buch mit dem Karfunkelstein
Autoren: dtv
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passierte.
     Und es war auch nicht das erste Mal, dass ein gottesfürchtiger Kaufmann ein feierliches Gelübde tat, um seine Familie und
     seinen Besitz zu retten.
    »Er wusste sich nicht anders zu helfen«, erzählte Paul weiter. »Er war so verzweifelt. Da hat er seinen jüngsten Sohn Gott
     und der Kirche versprochen, wenn das Schiff sicher im Hafen einliefe. Und der jüngste Sohn bin ich.« Er lächelte traurig.
     »Es ist gut gegangen. Das Schiff kam sicher an und wir waren gerettet.«
    »Ja, aber   …« Agnes schnappte nach Luft.
    Paul schüttelte den Kopf. Er wusste, was sie sagen wollte, aber er konnte als Sohn nichts gegen eine Entscheidung seines Vaters
     tun.
    »Es ist gut so«, beruhigte er sie. »Versprechen muss man halten, Gelübde erst recht. Kaufmannsehre!«, fügte er mit einem schiefen
     Lächeln hinzu. »Nur habe ich nicht gedacht, dass es so schwer wird. Und ich muss unbedingt diesen Verdacht loswerden«, seufzte
     er. »Sonst wirft man mich am Ende noch aus dem Kloster. Was wird dann aus dem Gelübde meines Vaters? Und ich habe doch versprochen,
     es zu erfüllen!«
    Hannes nickte. Er konnte sich noch sehr gut an den letzten Sommer erinnern, als jeder glaubte, er hätte einen Sack Pfeffer
     gestohlen. Er wusste, wie ein solcher Verdacht sich anfühlte. Aber das hier war fast noch schlimmer. Paul hatte recht. Ein
     heiliges Gelübde hing davon ab. Sie mussten Paul unbedingt helfen.
    »Was ist das eigentlich für ein Buch?«, fragte er. »Ist es kostbar oder warum regen sich alle so auf?«
    Gespannt sahen die Kinder Paul an.
    »Ja, es ist sogar sehr kostbar. Mein Großvater hat es vor vielen Jahren in Regensburg abschreiben lassen. Es heißt ›Das Buch
     von der Natur‹. Großvater hat sich gefreut, dass es endlich mal ein Buch auf Deutsch und nicht auf Latein gab. Wir haben gerne
     darin gelesen. Es steht alles über Tiere und Pflanzen und Gesteine darin, und sogar über die Sterne. Großvater hat den Buchdeckel
     mit einem großen Karfunkelstein verzieren lassen. Und das macht es noch viel wertvoller.«
    »Was ist ein Karfunkelstein?«, wollte Jakob wissen.
    »Ein dunkelroter Edelstein«, erklärte Paul. »Man nennt ihn auch den ›Stein der Steine‹.«
    »Hm«, machte Agnes. »Das war also in dem großen Lederbeutel, den dein Vater so bewacht hat.«
    »Genau«, nickte Paul.
    »Aber wer stiehlt denn ein solches Buch?« Hannes fasste sich an den Kopf. »Das ist doch viel zu auffällig!«
    Großvater Bertram hatte aufmerksam zugehört und dabei weiter die verschiedenen Kräuter sortiert, die Bruder Anselm zu einem
     wirksamen Hustensaft verarbeiten wollte. Die ersten Kranken des Herbstes hatten sich bereits mit Schnupfen und Husten im Klosterhospital
     gemeldet.
    »Ich frage mich die ganze Zeit, wer überhaupt in die Bibliothek kommen kann«, warf er nun dazwischen. »Es muss jemand sein,
     der sich im Kloster sehr gut auskennt.«
    »Stimmt«, sagte Agnes. »Also keine Gäste und keine Pilger. Die wissen ja noch nicht mal, wo die Bibliothek ist.«
    »Das weiß man nie. Klöster sind doch fast alle gleich gebaut«, widersprach Jakob. »Das haben sie wenigstens in der Schule
     gesagt. Und die Bibliothek ist immer direkt bei der Kirche.«
    »Und was ist mit den Glasarbeitern?«, fragte Hannes. »Sie bauen auf der Seite, wo die Bibliothek ist, neue Kirchenfenster
     ein! Sie wissen es doch auch!«
    »Nein!« Jakob schüttelte den Kopf. »Die können doch gar nicht lesen. Was sollen die mit einem Buch?«
    »Vielleicht war ihnen das Buch egal«, meinte Agnes. »Vielleicht wollten sie nur den kostbaren Stein!«
    »Nein, sie können es alle nicht gewesen sein«, widersprach Paul. »Noch nicht einmal die anderen Oblaten oder die Novizen.«
    Paul hatte recht. Oblaten und Novizen standen immer unter Aufsicht, egal, wo sie im Kloster arbeiteten. Es fiel sofort auf,
     wenn jemand fehlte. Er war ja selbst am vorigen Abend entdeckt worden, als er die Pergamentbögen versteckt hatte und deshalb
     nicht bei der Vesper war. Jetzt hatte Paul nur Glück, dass er wegen seiner Buße im Moment nicht im Novizenhaus beim gemeinsamen
     Essen sein durfte.
    »Nur Bruder Gregor, der Bibliothekar, kann die Bibliothek betreten«, fuhr Paul fort. »Sonst ist sie verschlossen und nur er
     hat den Schlüssel. Wenn die Mönche ein Buch möchten oder dort lesen wollen, müssensie erst zu ihm und er begleitet sie. Ich durfte bisher auch noch nicht hinein, obwohl ich ihm im Skriptorium helfe.«
    »Dann muss es einer von den
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