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Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1

Titel: Das Buch der Gaben - Tommy Garcia ; Band 1
Autoren: Bastei Lübbe
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war wunderschön und seine Farben waren so natürlich.
    »Das sieht fast aus wie ein Foto!«, sagte ich.
    »Ja, er kann toll malen«, sagte Tommy stolz. »Das ist ein Bild von Teneriffa. Er war noch nie auf der Insel, aber ich habe immer so viel davon erzählt, wie es da aussieht, da hat er sich Fotos von meiner Mutter und Zeitschriften besorgt und alles so gemalt.«
    »Wahnsinn …«, sagte Sanne.
    »So schön ist es da?« Janine fuhr sanft mit den Fingern über die Farben. Jesse hatte ein Bild vom Landesinneren gewählt. Im Vordergrund waren merkwürdig geformte Bäume und unzählige Büsche mit großen, bunten Blüten zu sehen. Einige Pflanzen kannte ich aus Italien, aber da waren auch Bäume, deren Laub wie vertrocknet schien. Im Hintergrund erhob sich ein riesiger Berg, dessen schneebedeckter Gipfel wie ein Vulkankegel aussah.
    »Einen schöneren Ort kenne ich nicht«, sagte Tommy versonnen. »Man muss dort nur die Touristengegend meiden. Die meisten kommen nur bis zum Liegestuhl oder zumHotelstrand. Aber das war nicht das, was mein Vater wollte. Er hat in unserer kleinen Bucht immer auf die Leute gewartet, die anders waren.«
    »Und das hat Jesse für dich gemalt?«, fragte ich.
    »Ja. Das hat er. Das Bild hatte er schon lange fertig. Aber er hat sich nicht getraut, es mir zu geben. Und wisst ihr was?« Tommys Augen leuchteten. Wir schüttelten den Kopf.
    »Er hat es mir die ganze Zeit nicht gegeben, weil er nicht wollte, dass ich denke, er will sich als Vaterersatz aufspielen.«
    Tommy betrachtete das Bild fast zärtlich. »Dabei ist es das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe.«
    »Ihr mögt euch beide, und keiner hat es gesagt!«
    Sanne hatte recht. Ich konnte das jetzt richtig gut nachempfinden. Erst traut man sich nicht, dem Anderen die Wahrheit zu sagen, und dann wird die Sache immer schlimmer. Es war wie bei unserem Vater mit der Kündigung.
    Tommy musste ein riesengroßer Stein vom Herzen gefallen sein. Aber wir hatten heute noch was zu tun. Ich schaute auf die Uhr und bekam einen Riesenschreck.
    »Zehn vor halb acht!«, rief ich. »Wir müssen los!«
    Tommy riss sich von seinem Bild los und nickte entschlossen.
    »Ja, wir müssen los«, meinte auch er und hob das Buch der Gaben auf. Sanne und Janine nahmen ihre verbliebenen Wunschkugeln, ich steckte die Holografie in die Tasche, undTommy schob sich das Buch der Gaben in seinen Hosenbund. Dann sahen wir uns in die Augen und fühlten uns gemeinsam stark.
    Ich ging noch kurz ins Wohnzimmer, um unseren Eltern zu sagen, dass wir noch eine Runde mit den Hunden drehen wollten. Meine Mutter lächelte, und mein Vater wirkte richtig zufrieden. Ich freute mich, dass sie sich wegen Vatis Geheimnis nicht doll gestritten hatten.
    Dann rief ich Lazy und folgte den anderen auf die Straße.
    *
    Schon auf den letzten Metern spürten wir, dass etwas nicht stimmte. Ich kannte meine Straße so genau wie kaum ein anderer. Wie oft war ich mit Lazy schon hier entlanggegangen, um zum Hundeplatz im Wald zu kommen. Das Grundstück mit unserem verlassenen Haus war das Letzte auf der rechten Seite, und weil es so viel größer war als die anderen, fiel es aus der Reihe. Das Abrisshaus hatte mich schon immer gereizt, und jedes Mal, wenn ich mit Lazy hier vorbeikam, schaute ich bereits von weitem, ob vielleicht jemand eine Scheibe eingeworfen oder Graffiti an die Wand gesprüht hatte. Doch nie war irgendwas passiert. Aber jetzt war etwas geschehen.
    »Es war doch dahinten, oder?«, fragte Janine, die zwar auch in unserer Gegend wohnte, aber sicher nicht so oft wie ich hier langgegangen war.
    »Ja«, sagte ich. »Da hinten ist es. Aber es sieht anders aus.« Ich wurde unsicher. »Von hier habe ich das Haus eigentlich immer schon sehen können. Und wo sind die Kastanien?«
    Wir hatten es eilig, aber gerannt waren wir nicht. Die Zeit hätte zweimal gereicht, bis zum Haus zu kommen. Ich hielt meine Holografie schon in der Hand. Tommy sagte nichts, und Sanne guckte immer abwechselnd nach vorn und zu mir. Wir kamen näher und näher, und das Grundstück wurde mir dabei immer fremder und fremder. Ich bekam Schweißausbrüche.
    »Vielleicht hat jemand das Haus gekauft und abgerissen«, meinte Janine.
    »An einem Tag?«, sagte Tommy zweifelnd und schüttelte den Kopf. »Und die Bäume gleich noch mit gefällt? Nein, das schafft keine Firma der Welt.«
    Jeder Schritt wurde schwerer. Sollte sich das Haus in Luft aufgelöst haben? Wieder dachte ich an meinen Streich mit der
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