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Das Brandhaus - Roman

Titel: Das Brandhaus - Roman
Autoren: PeP eBooks
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Sowohl Männer als auch Frauen fanden mich attraktiv. Ich zögerte nie und wusste immer, wo meine Vorlieben lagen. Bei Individualisten. Ich fühlte mich von jungen, schönen Individualisten angezogen. Das Geschlecht spielte keine Rolle. So war es mein ganzes Leben lang, und das hat mich wirklich bereichert.«
    »Haben Sie deswegen nie geheiratet?«, warf Fryxender ein.
    Er hatte, soweit Andersson das beurteilen konnte, seinen Cognac nicht angerührt. Gut, dann konnte er ja zurückfahren.
    »Ehe... das war nie mein Ding. Ich verspürte nie das Bedürfnis, mich zu binden und nur einem Menschen treu zu sein... nein. Ich hatte vermutlich nie die Gabe, Liebe zu empfinden oder mich zu verlieben. Das hat mir aber auch nie gefehlt, keine Sekunde lang.«
    »Aber Calle und Sverker waren ein Paar?«, vermutete Fryxender.
    »Ja. Sie waren zusammen. Calle erzählte mir von einem Verein junger Männer, die Feste veranstalteten und auch sonst Umgang pflegten. Das war im Uppsalaer Studentenleben nichts Ungewöhnliches. Was diese Clique von anderen unterschied, war der Umstand, dass alle schwul waren. Deswegen mussten sie ihre Treffen geheimhalten. Man wurde nicht ohne Weiteres als Mitglied zugelassen. Das Bestehen dieser Gruppe wurde nicht an die große Glocke gehängt. Schließlich handelte es sich um eine kriminelle Vereinigung.«

    »Kriminell? Wer hielt sie denn für kriminell?«, fragte Fryxender erstaunt.
    »Die Gesetzgebung. Laut schwedischer Gesetzgebung war Homosexualität ein Straftatbestand und wurde im Rahmen des Sodomieparagraphen mit Gefängnis geahndet. Dieses Gesetz wurde erst 1944 aufgehoben.«
    »Mir war nicht bewusst, dass auf Homosexualität noch bis Mitte der 40er Jahre Gefängnisstrafe stand. Ich erinnere mich aber, dass, als ich die Polizeischule besuchte, Homosexualität als Symptom von Psychosen und anderen psychischen Krankheiten dargestellt wurde«, meinte Fryxender.
    »Wann waren Sie auf der Polizeischule?«
    »Das muss 1971 gewesen sein.«
    »Das passt gut. Erst 1979 hörte man damit auf, Homosexuelle als psychisch krank abzustempeln.«
    Oscar Leutnerwall verstummte und sah in das Kaminfeuer, das langsam niederbrannte. Als er sich erhob, um nachzulegen, fiel Andersson auf, dass er in den Hüften sehr steif wirkte. Das war ihm bisher nicht aufgefallen.
    »Ich will die rein juristischen Verhältnisse, wie sie in den 30er Jahren und bis 1944 herrschten, noch einmal erklären. Nach 1944 und bis Ende der 70er Jahre lief man als Homosexueller Gefahr, in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen zu werden. Mit anderen Worten, damals waren noch keine Christopher-Street-Paraden angesagt«, meinte Oscar Leutnerwall und lächelte ironisch.
    Was Oscar Leutnerwall erzählte, war Andersson nicht neu. Ihn wunderte, dass Fryxender darüber nicht Bescheid wusste. Konnte das am Altersunterschied liegen? Er hatte die Polizeischule acht Jahre vor Leif abgeschlossen, und da war an der Einstellung seiner Lehrer und Mitschüler zu Schwulen und Lesben nicht zu zweifeln gewesen. Alle hatten Witze gemacht und Homosexualität für eine Perversion gehalten.
    »Wie nannten sie sich denn? Solche Zusammenschlüsse haben doch meist einen Namen?«, fragte Fryxender.
    »Sie nannten sich das Freundesnetz des Ovid oder einfach
nur das Netz. Meist sagten sie jedoch Netz. Ihr Wahlspruch lautete, ›Nitimur in vetitum semper cupimusque negata‹ nach dem lateinischen Dichter Ovid. Übersetzt heißt das: ›Wir werden vom Verbotenen angezogen und begehren das, was man uns verweigert.‹«
    Die beiden Beamten merkten auf, als er von einem Netz sprach. Beide kommentierten das aber nicht. Sie ließen den alten Mann in seinem Bericht fortfahren.
    »Ich wurde ebenfalls zu einigen dieser Feste eingeladen. Sie waren sehr nett und gut organisiert. Das Einzige, was sie von den anderen Studentenfesten unterschied, war, dass dort Männer mit anderen Männern zusammen waren.«
    »Waren Sie Mitglied?«, warf Fryxender ein.
    »Gewissermaßen... muss man vermutlich sagen. Aber ich nahm nicht regelmäßig an ihren Treffen teil. Ich hatte meine Clique, und ich traf mich auch mit auch Mädchen. Deswegen war ich auch bei dem unglückseligen Sommerfest 1941 nicht dabei. Ich verbrachte den Tag mit guten Freunden in Marstrand. Calle war in Uppsala geblieben. Offiziell, um für eine Prüfung zu lernen, die er nicht bestanden hatte und im August wiederholen sollte. Der eigentliche Grund war jedoch, dass Sverker ebenfalls in Uppsala geblieben war. Sverker plante, den
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