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Das Brandhaus - Roman

Titel: Das Brandhaus - Roman
Autoren: PeP eBooks
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zwanzig, und er war zehn Jahre älter, als sie sich kurz nach
Kriegsende verlobten. Calle mochte sie sehr, versuchte aber die ganze Zeit, Intimitäten aufzuschieben. Sie war nicht dumm. Ich glaube, sie ahnte, dass es nicht funktionieren würde. Als sie schließlich Schluss machte, schob sie es auf seine Trinkgewohnheiten. Er war bereits auf einigen Festen aus der Rolle gefallen. Der Ärmste hatte den Alkoholismus seines Vaters geerbt, man konnte ihn wohl als Quartalssäufer bezeichnen.«
    »Hat er Ihnen in den Jahren in Moskau nie von dem Mord erzählt?«, fragte Fryxender.
    »Nein. Kein Wort. Ich glaube, es gelang ihm, den Vorfall vollständig zu verdrängen. Aber etwas anderes konnte er in diesen Jahren nicht verdrängen: seine Liebe zu Sverker. Sie nahmen den Kontakt wieder auf, als Calle nach Schweden zurückkehrte. Er war am Boden zerstört, als ihm Sverker zwei Jahre später erzählte, dass er heiraten würde. Aber so war das damals. Er heiratete 1947 und bekam recht zügig hintereinander drei Kinder. Calle heiratete in den 50er Jahren eine Opernsängerin, sie war ein paar Jahre älter als er und hieß Lilly Hassel. Sie ließen sich nach anderthalb Jahren wieder scheiden. Ihre einzige Gemeinsamkeit war der Alkohol. Lilly trank sich dann leider auch allmählich zu Tode.«
    »Scheidung... hat Calle deswegen dann keine Frauen mehr getroffen?«, fragte Andersson.
    Das war seine erste Frage, seit Oscar Leutnerwall seinen Bericht begonnen hatte. Er war jetzt wirklich neugierig geworden. Über dieses Detail hatte er sich ausgiebig Gedanken gemacht.
    »Nein. Der Grund war, dass Sverker Selbstmord begangen hatte. Er hatte das Doppelleben nicht mehr ertragen. Calle war vollkommen verzweifelt, und zeitweilig glaubte ich, er würde Sverkers Beispiel folgen. Dazu kam es nicht. Er beschloss jedoch, nicht vorzugeben heterosexuell zu sein. Stattdessen wurde er asexuell. Er konnte jetzt alles auf seine missglückte Ehe mit Lilly schieben. Er stürzte sich in seine Arbeit und unternahm größte Anstrengungen, den Alkohol zu bezwingen. Das funktionierte auch meist, hin und wieder erlitt er jedoch einen Rückfall. Da wir in verschiedenen Ländern arbeiteten, sahen wir uns
nur noch selten. Der arme Calle wurde unter der fröhlichen Oberfläche ein sehr einsamer Mensch. In den letzten Jahren im Dienst erlitt er immer häufiger Rückfälle, was schließlich zum vorzeitigen Ruhestand führte. Er bekam jedoch eine ordentliche Pension, und so war ihm wenigstens die finanzielle Last genommen. In den Jahren vor seiner Pensionierung hatte er Tante Veras Wohnung renovieren lassen. Er zog wieder in das Haus ein, das er so sehr liebte. Er gönnte sich nach wie vor, was ihm im Leben wichtig war: gute Zigarren, teure Spirituosen und Pferdewetten, für die er leider immer ein Faible besessen hatte, weshalb er auch keinerlei Rücklagen besaß. Manchmal gewann er sogar, aber nie größere Summen. Das Geld zerrann ihm immer zwischen den Fingern. Wie gewonnen, so zerronnen, sozusagen.«
    Winston hatte angefangen auf dem Schoß seines Besitzers laut zu schnarchen. Andersson wurde von der Wärme des Kaminfeuers und dem Cognac angenehm schläfrig.
    »Und Sie, hatten Sie nie das Gefühl, dass man von Ihnen erwartete, eine Familie zu gründen?«, fragte Fryxender.
    »Doch, natürlich. Aber auf mir lastete der Druck nicht so schwer wie auf Calle. Schließlich war meine wunderschöne Schwester verheiratet, und sie würde doch vermutlich ein ganzes Rudel Kinder bekommen. Das war leider nicht der Fall. Astrid hatte mehrere Fehlgeburten. Als sie vierzig wurde, beschloss sie, die Hoffnung auf Kinder aufzugeben und sich stattdessen voll auf die Karriere zu konzentrieren. Die Familien Leutnerwall und Adelskiöld kommen also mit Astrid und mir zu einem Ende.«
    »Und was geschah mit Mats Persson?«, fuhr Fryxender fort.
    Recht lange hatte es den Anschein, als hätte der alte Diplomat seine Frage nicht gehört.
    »Mats Persson«, wiederholte er schließlich. »Das war alles wirklich sehr unglücklich. Ich erinnere mich immer noch ganz genau, wie es damals war. Mein Telefon klingelte gegen sieben Uhr abends. Ich hatte einen guten Freund auf einen Drink eingeladen, anschließend wollten wir essen gehen. Als ich Calles
hysterische Stimme im Hörer hörte, bat ich meinen Freund zu gehen. Ich erklärte ihm, dass sich Calle offenbar im akuten Delirium befände. Mein Freund wusste über Calles Problem Bescheid und hatte vollstes Verständnis. Er entfernte sich ohne
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