Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis
Autoren: Robert Ludlum
Vom Netzwerk:
seiner eigenen. Und das Eigenartigste daran war, dass das funktionierte. Obwohl sie nicht sprechen konnte, obwohl sie langsam starb, arbeitete ihr Gehirn weiterhin. Sie hörte, was er sagte, und ihr Gesichtsausdruck zeigte ihm, dass es ihr etwas bedeutete – er wusste, dass sie angerührt war und seine Geschichte verstand.
    »Sina«, sagte Chan, »in gewisser Weise sind wir verwandte Seelen. Ich sehe mich in dir – entfremdet, verlassen, völlig allein. Ich weiß, dass dir das vielleicht unverständlich vorkommen wird, aber meine Schuldgefühle, weil ich nicht imstande gewesen war, meine Schwester zu schützen, haben mich dazu gebracht, wider alle Vernunft meinen Vater zu hassen. Ich konnte nur sehen, dass er uns – mich – verlassen hatte.« Und dann erkannte er in einem Augenblick staunenswerter Erleuchtung, dass er in einen dunklen Spiegel sah und in ihr nur erkannte, dass er sich verändert hatte. Sie war tatsächlich noch immer, wie er früher gewesen war. Es war viel leichter gewesen, Rache an seinem Vater zu planen, als die ganze Wucht der eigenen Schuldgefühle zu ertragen. Aus diesem Bewusstsein entstand sein Wunsch, ihr zu helfen. Chan wünschte sich sehnlich, er könnte ihr Leben retten.
    Aber besser als alle anderen erkannte er aus langer Erfahrung das Nahen des Todes. Ließ sein Tritt sich erst vernehmen, war er nicht mehr aufzuhalten, nicht einmal von ihm. Und als die Zeit kam, als er diesen Schritt hörte und die Nähe des Todes in ihren Augen sah, beugte er sich über Sina und lächelte sie beruhigend an, ohne sich dessen recht bewusst zu sein.
    Chan machte dort weiter, wo Bourne, sein Vater, aufgehört hatte, und sagte: »Denk daran, was du den Befragern antworten musst, Sina. ›Mein Gott ist Allah, mein Prophet Mohammed, meine Religion der Islam und
    meine Kibla die heilige Kaaba.‹« Es schien so vieles zu geben, was sie ihm erzählen wollte, aber nicht mehr sagen konnte. »Du gehörst zu den Gerechten, Sina. Sie werden dich in ihre glorreichen Reihen aufnehmen.«
    Sinas Blick flackerte einmal, dann erlosch das Leben, das ihn beseelt hatte, wie eine Flamme.
    Jamie Hull erwartete Bourne, als er ins Hotel Oskjuhlid zurückkam. Für die Rückfahrt hatte Bourne ziemlich lange gebraucht. Zweimal war er fast ohnmächtig geworden und hatte am Straßenrand halten und den Kopf aufs Lenkrad legen müssen, bis er weiterfahren konnte. Obwohl er starke Schmerzen hatte und völlig übermüdet war, trieb sein Wunsch, Chan zu begegnen, ihn weiter.
    Wie die Sicherheitsleute auf sein Erscheinen reagieren würden, war ihm egal; er wollte nur noch mit seinem Sohn zusammen sein.
    Nachdem Bourne im Hotel kurz Spalkos Rolle bei
    dem Anschlag auf die Teilnehmer des Gipfeltreffens geschildert hatte, bestand Hull darauf, ihn in den hier eingerichteten Erste-Hilfe-Raum zu bringen, damit ein Sanitäter seine Wunden versorgen konnte.
    »Spalko genießt weltweit einen so glänzenden Ruf, dass viele Leute ihn weiter für unschuldig halten werden, auch nachdem wir die Leiche geborgen und das Beweismaterial vorgelegt haben«, sagte Hull auf dem Weg zur Sanitätsstation.
    Der Erste-Hilfe-Raum war voller Verletzter, die auf rasch aufgeschlagenen Feldbetten lagen. Die Schwerverletzten waren bereits von Krankenwagen abtransportiert worden. Und dann gab es die Toten, von denen vorläufig noch niemand sprechen wollte.
    »Wir kennen Ihre Rolle in dieser Sache, und ich muss sagen, dass wir Ihnen alle dankbar sind«, fuhr Hull fort, als er neben Bourne saß. »Der Präsident will natürlich mit Ihnen reden, aber das hat Zeit.«
    Die Sanitäterin kam zurück und fing an, die Platzwunde auf Bournes Wange zu nähen.
    »Schön verheilt das nicht«, sagte sie. »Vielleicht sollten Sie später zu einem Schönheitschirurgen gehen.«
    »Das ist nicht meine erste Narbe«, sagte Bourne.
    »Das sehe ich«, sagte sie trocken.
    Hull sprach weiter. »Eine Sache, die uns Rätsel aufgibt, ist das Vorhandensein von ABC-Schutzanzügen.
    Dabei haben wir keine Spur von biologischen oder chemischen Kampfstoffen gefunden. Wissen Sie etwas darüber?«
    Bourne musste rasch nachdenken. Er hatte Chan allein mit Sina und der Biowaffe zurückgelassen. Jähe Angst traf ihn wie ein Stich ins Herz. »Nein. Wir waren ebenso überrascht wie Sie. Aber nach dem Kampf war niemand mehr am Leben, den wir hätten fragen können.«
    Hull nickte, und als die Sanitäterin fertig war, half er Bourne aufstehen und führte ihn auf den Gang hinaus.
    »Ich weiß, dass Sie sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher