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Das Bourne-Vermächtnis

Das Bourne-Vermächtnis

Titel: Das Bourne-Vermächtnis
Autoren: Robert Ludlum
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jetzt, wenn er sein Büro während der Krise beim Gipfel überhaupt verlassen hat.
    Sein Fahrer hielt mit dem Dienstwagen neben dem hohen Eisentor, beugte sich aus dem Fenster und drückte den Rufknopf der Sprechanlage. Als lange Schweigen herrschte, begann Lindros sich zu fragen, ob der Alte vielleicht wieder ins Büro gefahren war, ohne einem Menschen zu sagen, dass er wieder auf dem Damm war.
    Endlich drang die grätige Stimme aus dem Lautsprecher, der Fahrer kündigte Lindros an, und im nächsten Augenblick schwangen die Torflügel lautlos auf. Der Fahrer hielt vor dem Eingang, und Lindros stieg aus. Er benützte den Türklopfer aus Messing, und als die Tür aufging, stand der Direktor mit runzligem Gesicht und zerzaustem Haar vor ihm, als habe sein Kopf auf einem Kissen gelegen. Er trug einen gestreiften Schlafanzug, über den er einen dicken Bademantel gezogen hatte. An den knochigen Füßen hatte er Filzpantoffeln.
    »Herein mit Ihnen, Martin. Kommen Sie rein.« Er
    machte kehrt und ließ die Tür offen, ohne abzuwarten, bis Lindros über die Schwelle getreten war. Lindros folgte ihm und schloss die Tür hinter sich. Der Alte war in seinem Arbeitszimmer verschwunden, das links voraus lag. Dort brannte kein Licht; im ganzen Haus schien nirgends Licht zu brennen.
    Lindros betrat das Arbeitszimmer, einen maskulinen Raum mit jägergrünen Wänden, einer cremeweißen Decke und übergroßen Ledersesseln mit dem dazu passenden Sofa. Der in eine Bücherwand eingelassene Fernseher war ausgeschaltet. Bei seinen früheren Besuchen war er stets –
    mit oder ohne Ton – auf CNN eingestellt gelaufen.
    Der Alte ließ sich schwer in seinen Lieblingssessel fallen. Auf dem Tischchen neben ihm standen eine große Box Papiertaschentücher und Fläschchen mit Aspirin, Tylenol gegen Erkältung und Nebenhöhlenentzündung, NyQuil, Vick VapoRub, Coricidin, DayQuil und Hustensaft Robitussin DM.
    »Was haben Sie da, Sir?«, fragte Lindros und zeigte auf die kleine Apotheke.
    »Ich wusste nicht, was mir helfen würde«, sagte der Direktor, »also habe ich alles Einschlägige aus der Hausapotheke geholt.«
    Dann entdeckte Lindros jedoch die Flasche Bourbon und das Old-Fashioned-Glas und runzelte die Stirn.
    »Was geht hier vor, Sir?« Er verrenkte sich den Hals, um aus der offenen Tür des Arbeitszimmers sehen zu können. »Wo ist Madeleine?«
    »Ah, Madeleine.« Der Alte griff nach seinem Whiskeyglas und nahm einen Schluck. »Madeleine ist zu ihrer Schwester in Phoenix geflogen.«
    »Und hat Sie allein gelassen?« Als Lindros eine Hand ausstreckte und die Stehlampe einschaltete, blinzelte der Direktor ihn eulenhaft an. »Wann kommt sie zurück, Sir?«
    »Hmmm.« Der Direktor schien über die Frage seines Stellvertreters nachzudenken. »Nun, das Problem ist, Martin, dass ich nicht weiß, wann sie zurückkommt.«
    »Sir?«, fragte Lindros zunehmend besorgt.
    »Sie hat mich verlassen. Zumindest glaube ich das.«
    Der Blick des Alten war starr, als er sein Glas leerte. Er schob die feucht glänzende Unterlippe vor, als sei er perplex. »Woher weiß man so was schon?«
    »Haben Sie sich denn nicht ausgesprochen?«
    »Ausgesprochen?« Als er kurz zu Lindros aufsah, war sein Blick nicht mehr verschwommen. »Nein. Gesprochen haben wir nicht darüber.«
    »Woher wissen Sie’s dann?«
    »Sie glauben, dass ich mir das nur einbilde, ein Sturm im Wasserglas, nicht wahr?« Sein Blick wurde für kurze Zeit lebendig, und seine Stimme klang vor mühsam unterdrückten Emotionen gepresst. »Aber sie hat ein paar Dinge mitgenommen, wissen Sie – persönliche Dinge, an denen ihr Herz hängt. Ohne diese Dinge ist das Haus verdammt leer.«
    Lindros setzte sich ihm gegenüber. »Sir, das tut mir sehr Leid, und wenn ich irgendwas tun kann, um …«
    »Vielleicht hat sie mich nie geliebt, Martin.« Der Alte griff nach der Bourbonflasche. »Aber wer versteht schon diese Mysterien?«
    Lindros beugte sich nach vorn und nahm seinem Boss sanft die Flasche ab. Der Direktor schien sich nicht darüber zu wundern. »Ich kann versuchen, in dieser Sache zu vermitteln, Sir, wenn Sie wollen.«
    Der Direktor nickte vage. »Wie Sie meinen.«
    Lindros stellte die Flasche weg. »Aber im Augenblick sollte ich eine wichtige Sache mit Ihnen besprechen.« Er legte den Ausdruck von Ethan Hearns Material auf das Tischchen neben dem Alten.
    »Was ist das? Ich kann jetzt nichts lesen, Martin.«
    »Dann berichte ich Ihnen«, sagte Lindros. Als er fertig war, herrschte ein Schweigen,
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