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Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)

Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)

Titel: Das böse Spiel der Natalie Hargrove (German Edition)
Autoren: Lauren Kate
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schlammig. Ich hielt mich an den Zypressenzweigen fest und stieg über die Venus-Fliegenfallen hinweg. Ich hatte noch nie Angst gehabt, nachts allein hier unterwegs zu sein, aber jetzt zitterte ich.
    Vielleicht würde es mir helfen, daran zu denken, dass ich nichts mehr zu verlieren hatte.
    Oben am Pfad begrüßte mich ein Käuzchen, das in der Lärche saß wie eine fette Katze. Ich duckte mich unter dem tief hängenden Zweig hindurch und betrat die vom Wasser ausgewaschene Nische. Es war das erste Mal, dass ich ohne Mike zum Wasserfall kam – und zum ersten Mal sah ich, wie die Nische wirklich aussah. Sonst war sie immer ein Rückzugsort für uns gewesen. Heute schien die Nische eng und gefährlich, glitschig, nass und kalt.
    Ich stellte mich an den Rand, wie ich es immer gerne getan hatte, um Mike zu necken. Ihn machte es nervös, wenn ich so nahe an den Abgrund trat, dass mir das Wasser in die Haare lief. Als ich jetzt hinuntersah, packte mich ein Schwindelgefühl, und ich musste mich setzen, um zu Atem zu kommen.
    Hier war ich sicher. Ich war endlich allein und in Sicherheit. Es war ein Gefühl, an das ich mich gewöhnen wollte.
    Ich hatte einen Plan. Ich wusste, was ich tun musste.
    Es wäre nicht richtig gewesen, zu gehen, ohne mich von Mike zu verabschieden. Mein Herz verkrampfte sich beim bloßen Gedanken daran. Wie sollte ich ihm gegenübertreten können? Und doch, wie sollte ich all das ausdrücken, was wir falsch gemacht hatten? Wie sollte ich erklären, wo ich heute Nacht enden würde? Wie sollte ich ihm raten, wie er weitermachen sollte?
    Du wirst es so gut verstehen, wie du kannst.
    Für immer
    Natalie
    Keine Entschuldigungen, denn sie waren meist nicht nur unangebracht, sondern sagten auch zu wenig oder kamen zu spät. Er würde die Nachricht verstehen, die ich ihm in sein Schließfach gelegt hatte.
    Da war sein Gesicht. Er war überall in dem Fotoalbum, das ich im Rucksack mitgebracht hatte.
    Ich hatte nicht vorgehabt, es hier aufzuschlagen. Es war nur eines der Dinge, die ich nicht zurücklassen konnte. Doch plötzlich betrachtete ich unser gemeinsames Leben, blätterte hektisch durch die empfindlichen Seiten auf der Suche nach einer Antwort.
    Wir waren in einer drei Jahre währenden Umarmung zusammengewachsen, und obwohl ich mir mit der Auswahl der Bilder viel Mühe gegeben hatte, hatte ich mir nie die Zeit genommen, mir das Album später richtig anzusehen. Es war lustig, denn die meisten Fotos waren aus demselben Blickwinkel aufgenommen, und die Kamera war immer nur so weit weg, wie der Arm von einem von uns beiden reichte. Wir waren viel zu sehr miteinander beschäftigt gewesen, um jemand anderes zu bitten, ein Foto zu machen.
    Ich wusste nicht, wer von uns beiden in den vergangenen Wochen zuerst aufgegeben hatte. Ich wusste nur, dass es hier mit dem ständigen Wassernebel, der den Einband des Albums benetzte, kalt war. Meine Finger zitterten und wurden blau, während ich weiterblätterte. Ganz hinten im Album waren zehn leere Seiten – ich hatte sie für die Bilder reserviert, die ich Freitagabend beim Palmetto-Ball von uns hatte machen wollen.
    Sollten sie leer bleiben. Zumindest waren sie so reiner. Zumindest waren sie so nur kleine Notlügen.
    In der neunten Klasse hatten wir einmal einen Aufsatz schreiben müssen: Stellt euch vor, euer Haus brennt und ihr habt nur wenige Minuten Zeit, zu flüchten. Welche fünf Dinge würdet ihr mitnehmen?
    Dabei sollte man lernen, worauf man wirklich Wert legte, was unersetzbar war. Damit man selbst im brenzligsten Moment wusste, was wichtig war. Ich hatte mich gefragt, wozu das gut sein sollte. Warum musste erst die ganze Welt in Flammen aufgehen, damit man diese Klarheit bekam?
    Früher hätte ich wohl mein Jasmin-Bouquet in den Rucksack gestopft, aber die Dinge hatten sich anders entwickelt, als ich es geplant hatte. Dort wo ich jetzt hinging, hatte ich keine Verwendung für eine riesige Seidenblume, flatternde Bänder und eine kostbare Kronen-Brosche.
    Meine Hände zitterten. Ich klappte das Album zu und tastete in meinem Rucksack nach dem einen Gegenstand, der mich wirklich beruhigen konnte.
    »Nat, was machst du hier?«
    Es war Mike. Er duckte sich unter dem Zweig hindurch und trat zu mir.
    »Was machst du hier?«, fragte ich zurück und ließ den Rucksack fallen.
    »Du warst nicht in der Schule und du warst auch nicht zu Hause. Ich hab ein ungutes Gefühl bekommen.«
    Mikes schwarzer Regenmantel triefte, als er ihn auszog und zu Boden warf. Draußen
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