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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir
Autoren: Linda Ladd
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Absaugpumpe, weshalb er darauf zusteuerte. Beim Aufheben musste er ständig Lylas langes Haar beiseite schieben, weil es sich vor seine Schwimmbrille legte und ihm die Sicht auf die Pennys versperrte. Lyla hatte drei ergattert, und er schnappte sich so schnell wie möglich fünf weitere, weil ihm allmählich die Luft ausging. Als ihr Haar in Richtung Ansaugpumpe wehte, strich er es zurück, denn seine Mom hatte alle davor gewarnt, was geschah, wenn sich Haare in der Poolpumpe verfingen.
    Plötzlich hatte er eine Idee. Er nahm das Haarbüschel in seiner Hand und wickelte es um den Rand der Pumpe. Lyla grapschte noch immer nach Pennys, doch im nächsten Moment drehte sie sich zu ihm um und zupfte ihn am Haar. Er verharrte einen Moment. Dann ließ er sie los und schoss an die Oberfläche. Nach Luft schnappend, tauchte er auf. Die Erwachsenen hatten sich alle um den Picknicktisch geschart oder schleppten Platten mit Essen aus der Küche nach draußen. Kein Mensch kümmerte sich um ihn.
    Also tauchte er wieder nach unten und hielt sich am Ansaugstutzen fest, um nicht nach oben getrieben zu werden. Lyla wehrte sich inzwischen aus Leibeskräften. Sie hatte ihre hübschen großen Augen weit aufgerissen und machte ein absolut panisches Gesicht. Sie griff nach ihm und zerrte kräftig an seinen Haaren, ihr Signal zum Auftauchen. Er klammerte sich fest, so lange er konnte, und wartete darauf, dass ihr die Luft ausging. Wenig später gab Lyla auf und ließ ihn los. Er beobachtete, wie sie den Mund öffnete. Dann schluckte sie Wasser. Im nächsten Moment quollen ihr Bläschen aus Mund und Nase, sie strampelte nicht mehr, sondern ertrank direkt vor seinen Augen. Schließlich starrte sie ihn aus ihren riesengroßen blauen Augen an, voller Überraschung, weil er ihr das angetan hatte. Und dann rührte sie sich nicht mehr. Sie war tot. Eine lange Haarsträhne klemmte am Rohr fest, der Rest ihres hübschen Haares wehte nach ihrem Kampf, sich zu befreien, lose in der Strömung. Ganz langsam hoben sich ihre Füße, und schließlich schwebte sie kopfüber im Wasser. Er fand, dass sie wunderschön und friedlich aussah, wie sie da schwamm. Tot und für immer fort.
    Als er selbst keine Luft mehr bekam, tauchte er wieder auf und atmete tief durch. Er schwamm noch einige Mal nach unten, um sie zu betrachten, denn aus irgendeinem Grund gefiel ihm der Anblick. Dabei fragte er sich, warum er so etwas Schreckliches getan hatte. Er konnte es wirklich nicht sagen. Er liebte sie doch. Er würde sie sehr vermissen. Andererseits hatte er ja noch jede Menge anderer Brüder und Schwestern und Cousins, mit denen er sich die Zeit vertreiben konnte. Also würde es ohne sie schon nicht so schlimm werden. Allerdings würden Mom und Dad sehr traurig sein. Schließlich war sie ihr Baby.
    Ach, immerhin war er ja ihr Lieblingskind. Deshalb würden sie schon darüber hinwegkommen, auch wenn sie ihm die Schuld geben würden. Aber das würden sie vermutlich gar nicht tun. Wahrscheinlich würden sie ihn bemitleiden, weil er dabei gewesen war und mit angesehen hatte, wie sie sich am Beckengrund verfing und ihre kleine Lunge sich mit Wasser füllte. Nun, da es vorbei war, fand er es ziemlich scheußlich. Er war froh, dass seine Mom es nicht hatte miterleben müssen.
    Nachdem er es satt hatte zuzuschauen, wie Lyla auf dem Kopf stand, schwamm er unter Wasser zur nächsten Leiter und kletterte hinaus. Er konnte sie noch auf dem Grund des Beckens erkennen und hätte sie gern noch eine Weile schweben lassen, doch er wusste, dass er keine Zeit mehr verlieren durfte.
    »Mommmmmmmmmmmmmmm! Dadddddddddddd! Lylas Haare sind an der Pumpe hängen geblieben! Hilfe! Mom, Mom, beeil dich! Ich kann sie nicht losmachen!«
    Im ersten Moment erstarrten die Erwachsenen rings um den Tisch. Dann ließen sie alles stehen und liegen und rannten zum Pool. Die Männer, alle auf einmal und auch seine Mutter, machten einen Kopfsprung ins Wasser. Einige seiner Tanten eilten auf ihn zu, drückten ihn an sich und pressten sein Gesicht fest gegen ihre T-Shirts mit der amerikanischen Flagge, um ihm die Szene zu ersparen. Er fand das einen feinen Zug von ihnen. Also fing er an, so laut wie möglich zu schluchzen. Er hatte schon früh die Erfahrung gemacht, dass er jederzeit wie auf Knopfdruck in Tränen ausbrechen konnte. Er konnte das Weinen sogar nach Bedarf abstufen, ohne dass je ein Mensch Verdacht schöpfte. Außerdem sah er dabei wirklich mitleiderregend aus. Das hatte er oft genug vor dem
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