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Das Blut von Magenza

Das Blut von Magenza

Titel: Das Blut von Magenza
Autoren: Claudia Platz
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den Kiel erneut benetzte, wanderten seine Augen zu demeinfachen Holzkreuz, das an der gegenüberliegenden Wand hing. Sein Anblick schenkte ihm Zuversicht, denn Conrad vertraute fest auf seinen Gott. Er würde dafür sorgen, dass der Erzbischof wieder genas und dass sowohl der Kreuzzug wie auch der unselige Krieg, den Heinrich IV. seit Monaten in Italien gegen Papst Urban führte, hoffentlich bald ein Ende fand.
    Conrad musste unvermittelt an Anselm denken, der sich seit März auf Pilgerfahrt in die Heilige Stadt befand. Seine Rückkehr war für die nächsten Tage angekündigt und er freute sich schon darauf, ihn wiederzusehen. Beide gehörten sie dem Ordo Sancti Benedicti an und waren nicht nur Mitbrüder, sondern auch langjährige Freunde. Anselm lebte ständig im Kloster auf dem Jakobsberg und war dort für die Herstellung des Weines zuständig, während Conrad den Großteil seiner Zeit in der Stadt verbrachte und immer seltener den Weg hinauf auf den Mons speciosus fand – wie der alte Name des Jakobsbergs lautete.
    Eigentlich hätte auch er sein Leben abgeriegelt hinter Klostermauern verbringen sollen, aber die Vorsehung hatte anderes mit ihm vorgehabt. Obwohl er aus einfachen Verhältnissen stammte, war er dank seiner zahlreichen Talente aufgestiegen. Bereits in der Domschule hatte sich gezeigt, was in ihm steckte. Er besaß nicht nur eine rasche Auffassungsgabe, sondern lernte leicht schreiben, rechnen und lesen. Zudem besaß er eine saubere Schrift und war verschwiegen, was ihn zum erzbischöflichen Schreiber prädestinierte.
    Sein erster Herr war der glücklose Siegfried I. gewesen, dem 1084 für vier Jahre Wezilo folgte. Seitdem erfüllte er Ruthard gegenüber seine Pflicht, die immer umfangreicher wurde. Neben seiner Tätigkeit als Schreiber begleiteteer ihn auf Reisen und vertrat ihn sogar hin und wieder bei Verhandlungen. Inzwischen war er diesem zu einem wichtigen Ratgeber geworden und verkehrte deshalb auch in den vornehmen Häusern der Stadt. Als sein Mittelsmann machte er unter anderem die Ansprüche der Kirche gegenüber den weltlichen Amtsinhabern geltend. Da seine Tätigkeit ihn stark in Anspruch nahm und der Weg vom Kloster in die Stadt Zeit kostete, hatte er vor einigen Jahren Räume in unmittelbarer Nähe zum Bischofssitz bezogen, die sich in einem Seitenflügel befanden.
    Conrad war fertig und legte den Gänsekiel aus seinen tintenbefleckten Fingern. Er las den Text noch einmal durch und nickte zufrieden. Dann versiegelte er den Brief und überreichte ihn dem berittenen Boten, der das Schreiben zu Heinrich bringen sollte. Auch wenn Ruthard es nicht hatte prüfen können, war er sich sicher, alles zu dessen Zufriedenheit erledigt zu haben. Es war nicht gut, den Kaiser zu lange auf Antwort warten zu lassen.

Mittwoch, 12. Dezember 1095, 13. Tewet 4856
    Herberge bei Worms
    Der Besitzer der Herberge war lange vor seinen Gästen aufgestanden. Er entriegelte die Tür, öffnete die Läden und ging in die Küche um nachzuschauen, ob die Magd auch den Herd angeheizt hatte. Früher hatte sein Weib diese Aufgabe übernommen. Doch sie war vor einigen Wochen davongelaufen und bei irgendeinem Kerl untergeschlüpft. Er bedauerte ihren Fortgang nicht sonderlich, denn sie war weder hübsch noch fügsam oder fleißig gewesen, weshalb er sie auch häufig hatte züchtigen müssen. Dennoch hatte sie gewisse Arbeiten erledigt, die jetzt an ihm hängen blieben. Bis er ein neues, willigeres Weib fand, musste er die unleidigen Tätigkeiten eben selbst übernehmen, denn für eine zweite Magd reichte das Geld nicht.
    Er wollte gerade seinen Fuß in die Küche setzen, als ihn wütende Schreie aus dem oberen Stockwerk in den Schankraum zurückriefen. „Diebe, man hat uns ausgeraubt, Geld, Schmuck, alles weg!“, erbosten sich einige seiner Gäste, während sie wütend die Stiege hinunterpolterten.
    Augenblicklich war der Wirt von einer aufgebrachten Menge umringt, die wild durcheinander redete und sich kaum beruhigen ließ. Erst als er mit dröhnender Stimme „Ruhe“ rief und mit der flachen Hand auf einen Tisch schlug, verstummte sie. „Wenn ich Euch recht verstehe, seid Ihr letzte Nacht bestohlen worden?“
    „Allerdings! Unsere Börsen und Wertsachen sind verschwunden und so wie es den Anschein hat, stahl der Dieb sich über eine Leiter, die vor dem Fenster steht, davon. Hast du etwas damit zu tun?“, argwöhnte einer.
    „Welch dreiste Unterstellung“, erboste sich der Wirt. „Ich werde mir doch nicht meine
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