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Das Blut der Unsterblichen

Das Blut der Unsterblichen

Titel: Das Blut der Unsterblichen
Autoren: Christine Saamer-Millman
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direkt neben dem Fenster. Leise schabten die Äste über den Fensterrahmen, als eine Brise durch die Blätter fuhr. Idyllisch würde so mancher sagen. Für Kristina jedoch war die vermeintliche Idylle trügerisch, denn ihre Verfolger konnten mit der Dunkelheit verschmelzen und sich völlig geräuschlos und so schnell bewegen, dass sie sie erst entdecken würde, wenn es zu spät war.
    Plötzliche Todesangst schnürte ihr die Kehle zu. Jeder Schatten verbarg eine Gestalt.
    Hastig schloss sie das Fenster, zerrte die Vorhänge zu und schleppte sich zum Bett zurück. Es war aussichtslos. Sie konnte nicht fliehen, nur warten. Auf die Verfolger. Auf Marcus. Auf ein Ende. So oder so. Kraftlos sank sie auf die Matratze, starrte an die Decke und lauschte auf ein verräterisches Geräusch. Ein Ast tippte gegen das Fenster, wie Finger, die um Einlass begehrten. Ein dumpfes Klopfen, es hörte sich an wie leise Schritte auf dem Flur. Die Tür knackte.
    So fest sie konnte presste sie die Hände auf die Ohren, wollte nicht hören, was als Nächstes geschah. Sie wusste, wie es vonstattenging, hatte es schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Wie sehr es schmerzte, wenn die Reißzähne die Haut durchstießen, und sich in eine Arterie bohrten. Der heftige Schwindel, die Hilflosigkeit und die Todesangst. Das Herz, wenn es begann, schneller und schneller zu schlagen, in dem verzweifelten Bemühen, ausreichend Blut in den Kreislauf zu pumpen, während das Leben aus dem Körper gesaugt wurde. Bis es schließlich aus dem Takt geriet, weil da nichts mehr war, was gepumpt werden konnte. Als Nächstes folgte die Ohnmacht, aufgrund des Blutverlusts und der damit verbundenen Sauerstoffunterversorgung des Gehirns, und dann der Tod.
    Tod! Unvorstellbar und doch unausweichliche Realität. Zumindest wenn Marcus nicht rechtzeitig zurückkam, um sie zu beschützen.
    Siebzehn Jahre lang war sie ahnungslos gewesen, beobachtet und überwacht von Wesen, von deren Existenz sie nichts wusste, nichts wissen wollte. Und dann, ganz plötzlich, hatte sich ihr Leben in einen Albtraum verwandelt. Wegen ihrer Tochter Leila und wegen Marcus – dem Mann, den sie liebte, mehr als es für einen Menschen gut war.
    Ein Bild perlte aus den Tiefen ihrer Erinnerung. Ein Bild von ihrem Gesicht, so jung und unwissend, damals, vor siebzehn Jahren, in der Nacht, als sie Marcus begegnet war …

1
     
    Eine Nacht wie diese hält nichts Gutes bereit , pflegte ihr Großvater immer zu sagen, wenn nicht das kleinste Lüftchen wehte und selbst die Dunkelheit keine Erleichterung von der drückenden Hitze des Tages brachte.
    Und er hatte recht, fand Kristina. In einer Nacht wie dieser war es am besten, sich nach einer kalten Dusche vor einen Ventilator zu setzen, und sich so wenig wie möglich zu bewegen. Das Fenster weit geöffnet, ein gutes Buch in der Hand, und keinesfalls das Haus verlassen, schon gar nicht, um in einen überfüllten Nachtklub zu gehen.
    Doch Hitzewelle oder nicht, ihre Freundin Pia hatte sich in den Kopf gesetzt, auszugehen. Ihr neues Auto hätte Klimaanlage, sagte sie, genauso wie der Club.
    Und so kam es, dass Kristina sich ungewollt vor dem Badezimmerspiegel wiederfand, wo sie versuchte, sich zu schminken, ohne dabei in Schweiß auszubrechen und damit alles wieder zu zerstören. Ein nicht gerade leichtes Unterfangen, wenn man bedachte, dass sie eine Dachwohnung bewohnte, in der es, trotz beidseitig geöffneter Fenster, mindestens fünfunddreißig Grad waren. Da sie unter ihren langen Haaren noch mehr schwitzte, überlegte sie, einen Pferdeschwanz zu tragen, doch bei dem Gedanken an Pias vorwurfsvollen Blick entschied sie sich dagegen. Pia war klein und zierlich, doch was ihr an Größe fehlte, machte sie durch Überzeugungskraft und einen eisernen Willen wieder wett.
    Die Klingel schlug an. Kristina öffnete rasch und huschte dann ins Schlafzimmer, um sich anzuziehen.
    „Komm einfach rein“, rief sie, als sie Pias Schritte vor der Tür hörte.
    „Puh. Warum zur Hölle wohnst du nur im fünften Stock?“, jammerte Pia, schob sich eine Haarsträhne aus der Stirn, die sich aus ihrer blonden Lockenpracht gelöst hatte, und spähte ins Schlafzimmer. „ Das willst du anziehen?“
    Kristina knöpfte den Jeansrock zu und schlüpfte in die weißen Ballerinas. „Wieso? Hast du was dagegen?“
    „Das ist nicht gerade schick, oder?“
    Kristina blickte an sich hinab und zuckte mit den Schultern. „Ich finde es okay.“
    Pia seufzte theatralisch, trat vor den
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