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Das blaue Siegel

Das blaue Siegel

Titel: Das blaue Siegel
Autoren: Daniel Twardowski
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und aus dem Rauch wuchs ihm neue Kraft zu, die ihn zerreißen wollte. Danach gab es nur noch zärtliche Lippen, Hände, feuchte Leiber und das Wissen, dass in der Süße ein Schmerz wohnt.
    Gazee wusste nicht, wie lange es dauerte und wie viele Frauen, Mädchen, manchmal noch halbe Kinder, unter ihm, neben ihm, über ihm lagen. Ihre Hände fütterten ihn, Hände ohne Körper, er wusste nicht, war es Gift oder Götternahrung. Es war ihm gleichgültig. Er schmeckte nichts mehr, stürzte sich in ihr Fleisch, Fleisch ohne Gesichter, bis er vor Erschöpfung weinte und vor nicht zu ermüdender Lust zitterte.
    Dann änderte sich erneut etwas. Die Musik verstummte, und er hörte wieder die seltsame leise Stimme seiner dunklen Königin, die ihm die ganze Zeit hindurch zugesehen hatte: »Wir haben dich gut belohnt und wollen die Früchte tragen. Haltet ihn jetzt!«
    Niemand hätte Gazee halten müssen, halbtot und selig, wie er war, denn er sah, dass nun die Königin selbst zu ihm kam, über das Wasser. Er versuchte zu lächeln, während die Mädchen ihn auf den Rücken drehten, seine Gliedmaßen spreizten. Auf jedem Arm, jedem Bein hockte eine der schönen, schweigenden Wärterinnen, und er fühlte die feuchte Hitze ihrer haarlosen Schöße.
    Gazee, der in seiner Qual lächelte, sah eines der Mädchen an, ein Kind, keine fünfzehn Jahre alt, und begegnete einem merkwürdig gierigen, spöttischen Blick. Jäh flackerte Todesangst in seinen Augen auf, aber da fiel ein Schatten auf ihn, und die Angst erlosch, als die schwarze Königin über ihn kam. Sich hinabsenkte, den nackten Leib auf seinen Körper, das Messer in seine Kehle.
    Er fühlte nur, dass er keine Luft mehr bekam und dass sein Glied brannte, tief in ihrem Schoß verbrannte, als sie sich auf ihm bewegte. Mit dem pulsierenden Blut verströmte sein Leben, floss langsam aus ihm heraus, ohne Widerstand.
    Dann änderte es sich zum letzten Mal. Denn ganz zuletzt, als sie den Schleier löste und er dem Tod ins Gesicht sah, entsetzte er sich, schrie und bäumte sich auf in namenlosem Erschrecken. Und das war der Ausdruck, der kalt wurde auf seinem Gesicht.
     

12.
     
    Gowers wusste, dass es nicht immer hilfreich ist, der Beste in seinem Fach zu sein. Er hatte schon häufig Dinge herausgefunden, die seine Auftraggeber dann nicht erfahren wollten. Meist waren es Ehebruchsfälle, waren es eifersüchtige Männer und Frauen, die im Grunde nicht glauben wollten, dass ihr Ehegespons sich von anderen vögeln ließ, und lieber den Mann hassten, der ihnen die Beweise dafür vorlegte. Ganz ähnlich war es im Fall Reginald Wedderburn, obwohl es dabei um Mord ging.
    »Also Lady Wedderburn hat Sie damit beauftragt, Ermittlungen über die näheren Umstände anzustellen, die zum Tode ihres Gatten Sir Reginald führten, ist das richtig?«, fragte Richter Trevelyan in juristischer Breite. Gowers bestätigte das, und auch die trauernde Witwe nickte kurz und grimmig.
    »Existiert darüber eine schriftliche Vereinbarung?«, fuhr Trevelyan fort, »ein Vertrag mit eventuellen Rücktrittsklauseln oder Ähnlichem?«
    Mukhopadhyaya sah an dieser Stelle mit geschultem Weitblick, wie das finanzielle Unwetter sich über ihm zusammenbraute: »Euer Ehren, ich möchte darauf hinweisen, dass Lady Wedderburn die Existenz dieser Vereinbarung soeben bestätigt hat!«
    »Mr. Mukho…«
    »…padhyaya«, sagte Gowers.
    »Die Existenz dieser Vereinbarung steht auch nicht infrage. Nur ihre juristische Ausgestaltung.« Trevelyan lächelte scheinheilig. »Also, ich weiß ja nicht, wie das in Amerika ist, Mr. Gowers. Aber wenn ich in England einen Mann damit beauftrage, mir ein Boot zu bauen, und das Boot schwimmt nicht, dann bin ich dem Mann nichts schuldig!«
    Colonel Outram warf einen Blick wilden Triumphes auf den abgerissenen Yankee und tätschelte der Witwe beruhigend die Hand, die in einem weißen Handschuh steckte.
    »Andererseits, Colonel Outram«, fuhr Trevelyan ein wenig schärfer fort, »kann ich den Mann nicht einfach ins Gefängnis werfen, nur weil sein Boot nicht schwimmt.«
    »Was, wenn Ihnen das Boot nur nicht gefällt, Euer Ehren?«, warf Gowers ein.
    »Eben für diesen Fall hätten sich beide Parteien vertraglich absichern müssen, junger Mann!«
    »Das ist in meiner Branche kaum möglich. Wie soll ich denn einen Vertrag über Sachverhalte abschließen, die ich noch nicht kenne und die ich ja gerade herausfinden soll?!«
    »Knifflig!«, sagte Trevelyan nach einer kleinen Pause und zupfte an einem
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