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Das blaue Buch - Roman

Das blaue Buch - Roman

Titel: Das blaue Buch - Roman
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Abnehmen« noch den Bridgekurs für Fortgeschrittene noch den Morgenkaffee für Singles besucht haben.
    »Den brauchen wir nicht mehr.« Eine winzige Schärfe in seinen Worten.
    »Wir könnten hingehen und selbstgefällig sein.«
    »Ist schon eine Weile her, dass ich selbstgefällig war …« Arthur schenkt sich frischen Tee ein – sie können aus drei Getränken wählen – und schaut auf, als er fertig ist, spielt schüchtern für sie. »Ich glaube, es könnte mir eine Weile gefallen.«
    Und so sollte er bleiben: zufrieden und glücklich schläfrig, schläfrig glücklich – alles gewonnen, alles gut. Beth betrachtet ihn, kann nicht aufhören, ihn zu betrachten, bis er sie fragt: »Was?«
    Sie weicht weiter aus: »Wir sind gerade zu spät für die nachmittägliche Champagner-Kunst-Auktion.«
    »Hast du die Kunst schon gesehen?« Weil er sie zum Lachen bringen will. »Lieber würde ich kielgeholt … Was man hier machen könnte – wir sind ja auf einem Schiff mit Kiel und allem.« Er wartet auf ihre Reaktion, hebt sich dann von seinem Sitz, beugt sich vor und küsst sie auf die Wange. »Nicht mal sämtlicher Billig-Champagner der Welt könnte mich dazu bringen, noch einen Blick darauf zu werfen. Ein bekiffter Affe mit einem Pinsel im Arsch könnte besser malen.« Er zuckt ein wenig zusammen, weil der Witz nicht so elegant war, wie er es sich vorgestellt hätte.
    Also neckt sie ihn ein wenig, weil sie weiß, das wird ihm gefallen. »Ein bekiffter Affe …«
    »Ich bin müde … Der nächste wird besser … Ich bin außer Übung …« Es gefällt ihm tatsächlich, er fühlt sich hilflos wohl, als er fortfährt: »Und wir müssen wieder ins Bett – sobald deine Sachen hier sind. Wir können ja nicht im Bademantel die Tür aufmachen – Narciso wird schlecht von uns denken.«
    »Wir haben uns doch gerade erst angezogen …«
    Leise: »Lieb dich angezogen. Lieb dich ausgezogen.« Dann legt er den Sellerie ab und wird ernst. »Jede Menge Zeit für beides …« Er sagt ihre Zukunft voraus – mit sanfter Autorität. »Und wir brauchen jede Menge Schlaf, wegen der … des Nichtschlafens. Und morgen werden wir an Deck sein, wenn … ah … Narciso schlägt so gegen halb fünf, fünf Uhr morgens vor. Womit ich übereinstimme.«
    »Wofür zum Teufel das denn?«
    »Um den Sonnenaufgang zu sehen.« Er deutet ein Lächeln an, versteckt aber beinahe, dass er zufrieden ist, weil er gedrängt, gereizt wird, sich erklären muss – wegen dieser verschiedenen Details des Zusammenseins mit jemand anderem, der schönen Störung. »Das ist eine Tradition, eine besondere Gelegenheit. Ende der Reise … Etwas zum Anschauen. Diese dicke Frau auf der Insel mit dem Arm in der Luft – die ist es wert. Leuchtet die ganze Nacht … Wie du …« Das Letzte verschluckt er fast. »Das ist doch romantisch, oder? Das ist sehr romantisch. Wird es. Versprochen. Ich werde mich bemühen.«
    »Art …« Ssschhh. »Art, ich habe so eine Geschichte gelesen.« Ssschhh. »Es gab so eine Frau, eine junge Frau – relativ jung – ganz respektabel, aber sie fing an, als Medium zu wirken.«
    »Müssen wir über so was reden?« Ein bisschen zu hart, er will das nicht.
    »Das war – ich erinnere mich nicht genau – so um 1890 oder so, ungefähr, und sie war Medium für ihren Geliebten, für den Mann, der ihr … und sie redete immer mit seiner Stimme und schrieb Sachen auf und … er ließ sich in ihr nieder.«
    »Ja, darüber habe ich gelesen.« Er ist nur kurz angebunden, nicht verletzt, er will zurück zu den guten Dingen des Tages.
    »Und es war irgendwie alles ganz das Übliche – außer dass er nicht tot war. Er war bloß nicht bei ihr. Er hatte sie verlassen. Und … sie brauchte ihn noch. Also erfand sie ihn.«
    »Das ist eine traurige Geschichte, Beth.«
    »Sie ist romantisch.«
    »Es geht um eine Frau, die wahnsinnig wird.«
    »Es gab … Es gab Zeiten … Es ist nicht so, dass ich dich nicht vermisst hätte.«
    »Ssschhh. Zu traurig, Beth.« Aber er ist nicht traurig, sondern erleichtert, geschmeichelt. »Und traurig kann ich heute nicht.«
    Er schaut auf die Tischdecke, lässt seine Freude einen Augenblick köcheln, hält sie drinnen. »Nicht heute, wo wir dem Schiff und der Suite und dem Bett Lebwohl sagen. Hier hat sich nichts Schlechtes ereignet … ich mag das alles auf einmal sehr gerne. Ich mag alles …«
    »Ich weiß.«
    »Ich weiß. Ich weiß, dass du es weißt.«

DEIN BUCH IST ein ehrliches Ding. Es will für dich wahr sein, wollte es
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