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Das Biest aus den Alpen

Das Biest aus den Alpen

Titel: Das Biest aus den Alpen
Autoren: Stefan Wolf
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Schatzsuchern
nur Unheil widerfahren. So wollten vor Jahren zwei Brüder sehen, ob die
Geschichte des Schatzes auf Wahrheit beruhe. Man erzählt, dass sie nach langem
Suchen auf einen Gang stießen. Damit nahm die Kette der Unglücksfälle ihren
Anfang. Der jüngere Bruder brach im Gang tot zusammen, der andere wurde so
krank, dass er wenige Wochen später starb.
    Vor seinem Tod erzählte er,
dass ihnen ein fürchterlicher Geruch, wie ihn nur Tatzelwürmer verbreiten,
entgegengeströmt war, als sie in den Stollen eindrangen. Schon nach wenigen
Minuten habe sein älterer Bruder aufgestöhnt und nach dem Hals gegriffen, als
ob die Totengöttin persönlich ihn würge. Er habe ihn schnell aus dem Gang
gezerrt, aber jener sei schon ganz blau im Gesicht gewesen. Jede Hilfe sei zu
spät gekommen. Und ihm selbst könne auch kein Mensch mehr helfen, da ihm seit
jener Stunde der Tod Tag und Nacht auf der Brust sitze. Es kam, wie er es
voraus geahnt hatte: Auch der jüngere Bruder wurde Tag für Tag schwächer und
starb schließlich.
    In der ganzen Gegend erzählte
man sich diese Geschichte, was den Glauben der Leute an den Schatz nur noch
mehr bestärkte. Jeder glaubte, wo die Totengöttin sei, müsse auch der Schatz
der drei heidnischen Jungfrauen sein.
    Als über die Geschichte bereits
Gras zu wachsen begann, versuchte ein Junge aus dem Nachbardorf sein Glück. Er
kam jedoch nicht weit. Bei dem Versuch, nachts die Friedhofsmauer zu
übersteigen, stürzte er ab und verletzte sich schwer. Er gab an, dass ihn
plötzlich jemand von hinten gepackt und mit Gewalt herabgezerrt habe. Da er
niemanden erblickte, konnte es nur die Totengöttin gewesen sein.
    Der alte Jakob ist der Vierte,
von dem man weiß, dass er nach dem Schatz suchte. Aber auch ihm wollte die
Totengöttin an die Kehle, wie er sich ausdrückte. Mit knapper Not gelang es
ihm, dem Unheil zu entgehen. Seit der Zeit will er nichts mehr davon wissen. Er
meint, bei einem neuen Versuch würde ihn der Geist gewiss erdrosseln.
    Soviel ich weiß, war der Alte
von der Felsenklause der Letzte, der den Eingang zum Versteck noch kannte. Ich
hielt deine Schatz suche immer für einen harmlosen Zeitvertreib, Hias. Aber
jetzt, nachdem du den Ort ebenfalls kennst, verbiete ich dir strengstens, dich
weiterhin damit zu befassen. Du würdest dich und uns unglücklich machen.«
    Aber Hias hörte nicht auf die
Worte seines Vaters.
    Unter dem Schatz stellte er
sich eine Menge Gold vor, die ausreichte, sich jeden Genuss zu gönnen.
    Und so dauerte es nicht lange,
bis Hias in den geheimen Gang hinabstieg und nach dem Schatz zu graben begann.
    Eines Tages überraschte ihn der
Vater bei der Suche. Außer sich vor Wut über den Ungehorsam seines Sohnes,
verschloss er den Zugang zum Geheimgang und schloss Hias für einige Zeit im
Dunkeln ein.
    In dem Jungen stieg der Zorn
auf. Als Hans Fuchs seinen Sohn nach mehreren Stunden aus seinem Gefängnis
befreien wollte, entbrannte ein schlimmer Streit zwischen den beiden. So
schlimm, dass der Vater plötzlich lautlos in die Knie sank.
    Hias schleppte seinen Vater
zurück ins Haus. Kurze Zeit darauf starb Hans Fuchs in den Armen seiner Söhne.
    Maximilian, der den Streit in
der Kirche heimlich beobachtet hatte, war sich sicher: Man würde Hias für den
Tod des Vaters zur Verantwortung ziehen und ihn dafür einsperren. Dann hätte er
niemanden mehr auf der Welt. Und so überredete er Hias zu Stillschweigen und
beseitigte alle Spuren, sodass nichts mehr auf die wahren Vorkommnisse
hindeutete. Später erzählten die Söhne, dass ihr Vater während der Arbeit auf
dem Feld eine tragische Begegnung mit zwei Tatzelwürmern hatte — und an deren
Folgen verstorben sei.
     
    An dieser Stelle schlug Karl
das Tagebuch zu. »Von da an hat niemand mehr ernsthaft nach dem Schatz
gesucht?«
    »Viel zu groß war die Furcht
vor einem neuen Unglück«, wusste Corvinus zu berichten. »Hias zeigte Reue und
sorgte in den folgenden Jahren für seinen jüngeren Bruder. Kurz vor dem eigenen
Tod übergab Hias einem Freund seine Tagebuchaufzeichnungen. Ich habe das Buch
schließlich auf dem Dachboden des Heimatmuseums entdeckt — mehr als 180 Jahre
nach Hias’ Tod.«
    »Was war eigentlich aus dem
Einsiedler geworden?«, wollte Gaby wissen.
    »Irgendwann verstarb auch er —
und mit ihm das Wissen um den geheimen Ort«, sagte Corvinus. »Bestimmt habt ihr
bei euren Wanderungen das Ausflugslokal mit dem seltsamen Namen bemerkt?
    Zum Weber an der Wand heißt es.«
    Die Freunde
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