Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
die Augen und du weißt, was Liebe und Treue ist.«
    Sie setzten sich alle um den Toten, Nikolaj, Jana, Peter und Janina. Jana steckte eine Kerze an und stellte sie an den Kopf des Alten, und so wurde es Abend, das flackernde Licht der Kerze war der einzige Schein, und die langen Jahre kehrten zurück und brachten Dankbarkeit mit … Dankbarkeit für ein schönes, wildes, umkämpftes und erfülltes Leben.
    Ein Mensch sollte immer dankbar sein, für jeden Tag, jede Stunde, denn das Leben verrinnt und wäre umsonst gelebt ohne Dankbarkeit –

WHITESANDS

    DIE PERSONEN:

Joe Williams, jetzt Ron Calling
Einwohner von Whitesands
Reverend John Killroad
Geistlicher
David Hoven
Chef der Feuerwehr von Whitesands
Dr. Simson
Psychiater

»Der Verrückte spielt wieder mit seinen Schiffchen«, sagte David Hoven, der Kommandant der Feuerwehr von Whitesands, als er vom Angeln nach Hause kam und seiner Frau Lornie drei Fische auf den Küchentisch klatschte. »Man soll es nicht für möglich halten: Steht bis zum Bauch im Wasser, hat den Gummioverall an, und obenrum trägt er eine Art Uniform mit Schnüren und Schnörkeln, als spiele er in einem dieser historischen Hollywoodschinken mit. ›He!‹ habe ich ihm zugerufen. ›Was gibt das da?‹ Und er hat geantwortet: ›Wenn ich die Schweden diesmal schlage und ihre Flotte vernichte, bin ich der Herr der Ostsee!‹ – Was soll man dazu sagen? Er wird immer verwirrter im Kopf. Und als ich ihm zurief: ›Ron, komm aus dem Wasser. Es ist noch zu kalt. Du verkühlst dir den Arsch!‹, winkte er wie ein Feldherr und sagte stolz: ›Was nimmt Er sich heraus?! Erkennt Er Pjotr Alexejewitsch nicht?‹ – Da bin ich weg. Wer ist Pjotr Alexejewitsch?«
    »Kenn ich die Spinnereien des Alten?« Lornie betrachtete die Fische. Sie waren gut für zwei Mahlzeiten … einmal Bratfisch, einmal Fischsuppe. »Du solltest mal den Reverend fragen. Der kennt ihn besser. Auf jeden Fall ist es etwas Russisches.«
    »Was hat Ron Calling mit Rußland zu tun?«
    »Verrückte leben immer in anderen Welten. Das habe ich mal irgendwo gelesen. Solange er ein harmloser Irrer ist, kann er von mir aus auf Tahiti leben und am Strand Hula-Hula tanzen …«
    Vor fünfundzwanzig Jahren war Ron in Whitesands aufgetaucht, ein fröhlicher, starker Bursche mit einem flotten Oberlippenbärtchen und gelockten Haaren, genau an dem Tag, an dem der alte, von allen geliebte und verehrte Williams in seinem weißen Schloß am Meer starb. Noch genau konnte man sich an diesen Tag erinnern: Alle Glocken im Ort läuteten, am Rathaus wurde die amerikanische Flagge auf Halbmast gesetzt, in den drei Kirchen wurde gebetet. Es war mehr Trauer unter dem Volk, als wenn der Präsident der USA gestorben wäre. Der Präsident war weit, dahinten in Washington, aber Williams war nahe gewesen, ein Wohltäter, wie es keinen zweiten mehr geben würde, nicht für Whitesands. Einen Kindergarten hatte er gestiftet, zwei neue Feuerwehrlöschwagen, er war Mentor der Baseball- und Football-Mannschaft, er hatte ein Schwimmstadion bauen lassen, und jedes halbe Jahr durften sich alle Einwohner von Whitesands auf seine Kosten in der Klinik der Bezirksstadt auf Krebs untersuchen lassen. Wo gab es so etwas wieder? Der Tod von Williams war ein nationaler Trauertag für Whitesands.
    Ron Calling hatte an dem großen Trauerzug teilgenommen. Er hatte auch am Grab gestanden und einen Blumenstrauß hinunter auf den schweren Eichensarg geworfen. Die Einwohner von Whitesands fanden das sehr lobenswert, denn Mr. Calling war ja erst vor vier Tagen angekommen und hatte den alten guten Williams nie gekannt.
    Dann wurde das Testament eröffnet, ganz Whitesands staunte und hätte Beifall geklatscht, wenn's nicht ein so trauriger Anlaß gewesen wäre: Williams hatte sein gesamtes Vermögen der Krebsforschung vermacht, weil – so schrieb er – sein Sohn Joe diese Welt verlassen hatte. Man munkelte etwas von fast dreihundert Millionen Dollar, und eine Delegation des bedachten Krebsforschungsinstitutes pilgerte nach der Testamentseröffnung mit einem riesigen Blumengebinde zum Grab des Spenders und legte auch einen schönen Blütenkranz vor dem Ehrenmal nieder, das Williams für seinen gefallenen Sohn Joe hatte errichten lassen.
    Auch bei diesen Feierlichkeiten war Ron Calling immer dabei, was ihn bei allen beliebt machte, und als die Forschungsstelle begann, das Erbe, nämlich Schloß, Grundstück und eine große Seehütte, in Dollars umzusetzen, war jedermann damit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher