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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sagen Sie mir, wo das Bernsteinzimmer ist … und ich vergesse Sie. Ist das ein Wort?«
    »Ein sinnloses Wort, Sir. Ich habe nicht die Absicht gehabt, das Bernstemzimmer zu verkaufen. Ich habe Geld genug. Millionen Dollar, Captain. Geerbt von meinem lieben Gangster-Daddy. Und jetzt verhandeln Sie nicht weiter … ich höre Ihnen nicht mehr zu.«
    Am 7. Januar fanden Skiläufer in einer Burgruine im Taunus eine nackte, steifgefrorene Leiche. Der Körper war von Messerstichen durchbohrt, ein langes, dolchähnliches Messer und ein Skalpell lagen neben ihm. Der Tote war verblutet … um ihn herum war das Blut zu einem Eissee erstarrt. Am schrecklichsten war die Wunde in der Körpermitte: man hatte ihm den Bauch aufgeschlitzt. Ein wahnsinniger Blutrausch mußte den Mörder erfaßt haben.
    Der Tote hatte keine Papiere bei sich, seine Kleidung wurde gefunden, aber auf einem Foto, das alle Zeitungen veröffentlichten, erkannte Wachter den Ermordeten sofort.
    »Das ist das Ende –«, sagte er. Jetzt war er ein gebrochener, alter, zittriger Mann. »Jetzt werden wir das Bernsteinzimmer nie wiedersehen. Wer auch dahintersteckt … er war stärker und schneller als wir. Nun gibt es keinen Weg mehr zu ihm. Mit Silbermann ist alle Hoffnung gestorben.«
    Sie riefen die Polizei an, fuhren in das Gerichtsmedizinische Institut und identifizierten die Leiche. Wassilissa hatte eine langstielige rote Rose mitgebracht und legte sie Silbermann auf die nackte Brust, Wachter streichelte ihm die vereisten Hände, und Nikolaj hielt seinen Vater von hinten fest, als er zu weinen begann und unsicher auf den Beinen wurde.
    Sie warteten noch das Begräbnis ab, standen dann am zugeschaufelten Grab zusammen mit zwei Kriminalbeamten, einem Grab, das sie mit den Dollars bezahlt hatten, die sie in der Würzburger Wohnung gefunden und dann bei der Polizei abgeliefert hatten. 163.000 Dollar waren es, ein riesiges Vermögen, und Wachter fragte: »Was wird damit?«
    »Wir werden in den USA nach Erben suchen.«
    »Und wenn er keine Erben hat? Wäre es nicht sinnvoll, die 163.000 Dollar dem Unterstützungsfonds der deutschen Juden zu überweisen?« fragte Nikolaj.
    »Das geht nicht.« Der Beamte sah Nikolaj erstaunt an. »Es liegt ja kein Testament vor. Wir können das Geld nur einziehen.«
    »Und so beerbt ein Staat, der eine ganze Familie ausrottete, auch noch den letzten Überlebenden.«
    »Ich glaube, Sie sehen das falsch!« Der Beamte bekam einen steifen Rücken und wurde etwas verkniffen. »Sie können das nicht verstehen … Sie sind Russe!«
    »Gehen wir.« Wachter faßte seinen Sohn unter und verließ die Behörde. Und draußen – es war ein sonniger Wintertag mit einem klaren blauen Himmel wie über Leningrad – sagte er mit fester Stimme: »Laß uns zurück nach Puschkin fahren, Söhnchen. Hier haben wir nichts mehr zu suchen. Das Bernsteinzimmer ist verloren … für alle Zeit … und voll Blut ist es jetzt auch. Gott war uns nicht gnädig … und ich weiß nicht, warum.«
    Die Gnade Gottes aber ließ ihn vierundneunzig Jahre alt werden.
    An einem Junitag im Jahre 1980 fanden Nikolaj und sein Sohn Peter den Alten wie immer im Bernsteinzimmer auf dem Stuhl sitzend, auf dem er vierundsechzig Jahre als Wächter und Betreuer gesessen hatte. Er hatte den Kopf nach hinten an die kahle Wand gelehnt, blickte in den Himmel, in das Deckengemälde mit den allegorischen Darstellungen, hatte die Augen weit geöffnet und atmete nicht mehr.
    Nikolaj, nun auch schon ein Mann von zweiundsechzig Jahren, und der Enkel Peter, ein hübscher Bursche von dreiunddreißig Jahren, trugen ihn auf seinem Stuhl sitzend aus dem leeren Bernsteinzimmer hinüber in die Wohnung. Und als sie ihn auf das geliebte alte geschnitzte Sofa legten, sagte Jana Petrowna leise: »Wie glücklich er aussieht. Geträumt hat er von seinem Zimmer und hat es mitgenommen in die Ewigkeit. Nun bist du zufrieden, Väterchen, nicht wahr? Erfahren hast du noch, daß man es nachbauen will. Es wird das Zimmer wieder geben, dein Bernsteinzimmer … und ein Wachter wird es wieder pflegen, dein Sohn Nikolaj oder dein Enkel Peter. Väterchen, ruhe dich aus im Himmel.«
    »Das war die schönste Grabrede, die er bekommen konnte«, sagte Nikolaj und legte den Arm um Jana Petrowna. »Wir sollten nicht um ihn weinen … wir sollten ihn bewundern. Was ist Treue, sollten wir immer fragen. Was ist Liebe? Und wir werden immer antworten: Sieh dir Michail Igorowitsch an, dort an der Wand hängt sein Bild, sieh ihm in
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