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Das Bernsteinzimmer

Das Bernsteinzimmer

Titel: Das Bernsteinzimmer
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einverstanden, daß Ron Calling das Seegrundstück kaufen konnte.
    Glatte dreihunderttausend Dollar legte er dafür auf den Tisch. Man wunderte sich darüber, denn Calling hatte bisher sehr bescheiden in einer Pension gelebt. Er aß am liebsten Hamburger oder eine heiße Wurst mit scharfer Currysoße, wie die Hauswirtin erzählte, aber dann vergaß man das Staunen und sah mit Wohlgefallen, wie Calling die Seehütte ausbaute.
    Er ließ sie mit Steinen ummauern, brach große Fenster in die Fassade zum Meer hin, zog eine hohe Mauer um sein Grundstück, und schließlich kamen ein paar Möbelwagen an, brachten Couches und Schränke und Teppiche und Sessel und zwanzig große Kisten mit, die einen kompletten Haushalt enthalten mußten.
    Drei Monate lang arbeiteten dann drei Handwerker aus New Orleans im Hause von Ron Calling. Sie wohnten bei ihm, sie kochten sich selbst das Essen, gingen nie aus, machten keine Jagd auf die hübschen Mädchen im Ort, nur der Supermarkt-Besitzer erzählte im Vertrauen, daß sie immer die besten und teuersten Sachen bestellten und ins Haus liefern ließen: französischen Wein, russischen Kaviar, geräucherten Stör, Champagner, gewaltige Steaks und Schokoladentorten. Was die drei Handwerker im Hause von Calling machten, wußte niemand … sie waren plötzlich aus New Orleans gekommen –, so hieß es, und ebenso plötzlich waren sie nach drei Monaten wieder verschwunden. Hinter der hohen Mauer blieb vieles verborgen, auch der Bau der neuen Terrasse. Daß unter der Betondecke in einer Grube drei Leichen lagen … wer konnte das ahnen? Wer traute Ron Calling so etwas zu, ihm, dem netten Kerl, der immer so freundlich grüßte, jeden Monat einen Blumenstrauß vor dem Ehrenmal Joe Williams' niederlegte und dann sinnend einige Minuten verharrte. Der Plattenleger, der später die Marmorplatten anbrachte, konnte bloß berichten, daß Mr. Calling ihn nur bis in die Gartenhalle gelassen hatte. Weiter nicht, und der ganze linke Flügel des Hauses, schätzungsweise zehn Meter lang, habe drei riesige Fenster, die aber immer verschlossen und mit einer dichten Jalousie von innen versehen seien.
    Dann wurde es still um den neuen Einwohner von Whitesands. Man sah ihn viel am Meer sitzen, nie ließ er sich in den Restaurants oder in einer Bar blicken. Auch Frauen schienen ihn nicht zu interessieren, denn niemals, in all den späteren Jahren, sah jemand ein weibliches Wesen in seinem Haus, obwohl er doch ein ansehnlicher, starker, netter Mensch war, mit dem so manche Frau, auch in Whitesands, sofort ins Bett gegangen wäre. Außerdem schien er genug Geld zu haben, um schon in seinen besten Jahren im Liegestuhl zu liegen, im Meer zu schwimmen oder am Sandstrand entlangzulaufen, statt sich um den Erwerb von Dollars zu kümmern.
    Wo Geld lockt, ist das Versprechen der ewigen Seligkeit nicht weit. Reverend John Killroad von der ›Kirche der Kinder Gottes‹ erschien denn auch bei Ron Calling, als man sah, daß der Bau vollendet war. Das Ganze wirkte letztlich etwas exzentrisch, denn über dem linken Flügel des Hauses ließ Calling einen kleinen Zwiebelturm anbringen, mit vergoldetem Dach und auf der Spitze ein Doppelkreuz wie bei den orthodoxen Kirchen. Reverend Killroad staunte, konnte sich darauf keinen Vers machen und bat um eine Audienz.
    Ron Calling empfing ihn nicht im Haus, sondern vor dem Haus, auf der Marmorterrasse. Wenn Killroad geahnt hätte, daß er genau über drei einbetonierten Leichen saß, während er es sich auf einer Gartenliege bequem machte und Orangensaft mit Wodka trank, hätte er das Glas von sich geworfen und wäre geflüchtet. Aber so freute er sich über die Gastfreundschaft des neuen Bürgers Calling, schenkte ihm eine Broschüre, in der die Geschichte seiner Kirche stand, und ließ so nebenbei verlauten, daß der Altar doch ein wenig primitiv sei. Mr. Williams habe versprochen, einen neuen Altar zu stiften, aber der Tod habe das großherzige Werk verhindert.
    »Mr. Williams wollte Ihnen einen neuen Altar schenken?« fragte Calling interessiert.
    »So ist es! Nun hat er alles der Krebsforschung gestiftet, und da ist nicht ein Cent zu holen. Im nächsten Jahr hätte der Altar eingeweiht werden können. Einen Entwurf gab es schon.«
    »Bringen Sie die Pläne das nächstemal mit«, sagte Calling leichthin. »Es interessiert mich.«
    »Sie haben einen Zwiebelturm auf dem Haus.« Reverend Killroad rülpste verhalten. Er hatte den Wodka mit Orangensalt zu schnell getrunken. »Hat das was zu
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