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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Autoren: Georges Simenon
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die Concierge.
    »Der Arzt kommt gleich wegen des Totenscheins. Er ist doch wohl wirklich tot, oder?«
    Er ging zum Bett und warf einen kurzen Blick auf das heitere Gesicht des Monsieur Bouvet.
    »Wissen Sie, ob er Geld hatte?«
    »Genug zum Leben bestimmt.«
    »Wir werden hier wohl amtlich versiegeln müssen. Irgendwo hat er sicher Erben.«
    »Davon hat er mir nie etwas erzählt.«
    »Wie lange kennen Sie ihn?«
    »Er hat diese Wohnung schon vor dem Krieg gemietet, 1936 ungefähr.«
    »Und seither hat er immer hier gelebt?«
    Gedankenlos hatte der Kommissar eine der Mappen geöffnet, und er zeigte sich leicht überrascht, als er darin nur Bilderbogen sah, jene naiven kolorierten Drucke, wie sie Hausierer einst auf dem Land feilboten.
    »Während des Krieges war er fort.«
    »Ah! Wissen Sie, wo er da war?«
    »Im nichtbesetzten Gebiet, irgendwo auf dem Land. Die Deutschen waren ein paarmal hier, um mich zu vernehmen und seine Wohnung zu durchsuchen.«
    »Ist er Jude?«
    »Glaube ich nicht. Er sieht jedenfalls nicht danach aus.«
    »Wissen Sie, wo er seine Papiere aufbewahrte?«
    Zwischen zwei Fenstern stand eine Kommode, deren Schubladen nicht abgeschlossen waren. Auch hier bunte Bilderbogen jeglichen Formats, aber weder offizielle Dokumente noch Briefe.
    »Er lebte sehr einfach, sehr korrekt. Seinen Haushalt habe ich geführt.«
    »Wachtmeister, sehen Sie mal nach, ob er eine Brieftasche bei sich hat.«
    Der Polizist gehorchte mißmutig. Er ließ seine Hand in die Tasche des Toten gleiten und zog eine Brieftasche mit mehreren hundert Francs und einem Personalausweis daraus hervor.
    »René Bouvet, geboren am 15. Dezember 1873 in Wimille, Département Pas-de-Calais.«
    Ein Wagen hielt am Bordstein, und der Arzt stieg aus.
    Gegenüber hatte Madame Sardot ihre Tür einen spaltbreit offengelassen, und man hörte, daß sie Zwiebeln briet.
    Der Arzt und der Kommissar waren etwa im gleichen Alter, beide zwischen fünfundvierzig und fünfzig.
    »Wie geht’s?«
    »Danke, und dir?«
    »Was hat er gehabt?«
    »Er ist vor einer halben Stunde gestorben, am Kai, als er sich gerade irgendwelche Bilder ansah.«
    Der Arzt öffnete seine Tasche und blieb einen Moment im Schlafzimmer, während der Kommissar der Concierge einige Fragen stellte.
    »Sollte mich wundern, wenn nicht von irgendwoher Erben auftauchen. Wissen Sie, ob er eine Pension bekam?«
    »Davon hat er nie etwas erzählt.«
    »Bekam er Post?«
    »Noch nicht einmal Prospekte.«
    »Und Zeitungen?«
    »Die kaufte er selbst am Kiosk.«
    »Hatte er genug Geld zum Leben?«
    »Ganz bestimmt. Er lebte nicht gerade wie ein Millionär, aber er hatte alles, was er brauchte.«
    »Wo nahm er seine Mahlzeiten ein?«
    »Oft hier. Er kochte gern. Hinter dieser Tür ist eine kleine Küche. Manchmal aß er auch in der ›Belle-Etoile‹, einem Restaurant auf der Ile Saint-Louis.«
    Der Arzt trat wieder zu ihnen, und sein Gesicht drückte aus, daß alles in Ordnung war.
    »Ich stelle dir sofort den Totenschein aus.«
    »Das Herz?«
    »Ganz einfach das Herz. Wer kümmert sich denn jetzt um ihn?«
    Die Concierge sah sie nacheinander an, dann sagte sie entschlossen:
    »Wir.«
    »Wer ist wir?«
    »Ich und die Mieter. Jeder mochte ihn. Ein paar sind im Urlaub, aber wir schaffen es schon.«
    »Und das Geld?«
    »Können wir vielleicht das aus seiner Brieftasche nehmen?«
    »Ich glaube, das brauchen Sie gar nicht. Die Angehörigen werden sich schon melden, wenn es erst in der Zeitung steht.«
    Hierüber hatte sie wohl ihre eigene Ansicht, denn sie zuckte mit den Schultern.
    »Würden Sie die Wäsche, die Sie brauchen, bitte aus dem Schrank nehmen? Ich muß alles versiegeln.«
    Der Arzt ging. Der Kommissar überlegte, ob er die Bilderbogen einschließen und ebenfalls versiegeln sollte, aber dann meinte er, es lohne sich nicht.
    »Voraussichtlich schicke ich Ihnen heute nachmittag oder morgen früh jemand vorbei, der Ihnen dann weitere Anweisungen gibt.«
    Es war die Stunde des Aperitifs, und in allen kleinen Pariser Cafés roch es nach Anis. Man sah immer noch die winzigen Gestalten oben auf den Türmen von Notre-Dame, und auf dem Vorplatz standen die Busse immer noch einer neben dem andern.
    Im Gebäude einer großen Abendzeitung in der Rue Réaumur trat der junge Amerikaner aus einem Fahrstuhl. Er irrte durch die Korridore, und man schickte ihn von einer Tür zur anderen, ohne recht zu verstehen, was er wollte. Mit viel Beharrlichkeit jedoch drang er schließlich zu einem vielbeschäftigten
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