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Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Das Begräbnis des Monsieur Bouvet

Titel: Das Begräbnis des Monsieur Bouvet
Autoren: Georges Simenon
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hineinschrieb.
    »Der Kommissar ist nicht da.«
    »Wer ist sein Stellvertreter?«
    »Sein Sekretär. Er ist beschäftigt. Setzen Sie sich.«
    Sie setzte sich nicht, weil die auf der Bank sitzenden Leute ihr nicht allzu sauber aussahen. Sie blieb stehen und trommelte mit den Fingern auf die Abschrankung, die sie von dem Polizisten trennte.
    Sie wartete eine halbe Stunde und wurde schließlich so ungeduldig, daß sich jeder über sie lustig machte. Vor allem deshalb, weil sie zu jener Art Frauen gehörte, über die man sich sowieso gern lustig macht: eine schon sichtbar gealterte Frau, die einst schön gewesen war und sich nun bemühte, die Reste ihrer Schönheit aufs vorteilhafteste zur Geltung zu bringen.
    »Worum handelt es sich, Madame?«
    »Sind Sie der Sekretär? Kann ich Sie unter vier Augen sprechen?«
    Er zögerte, führte sie dann in das angrenzende Büro, dessen Kamin einen schwarzen Marmoraufsatz hatte.
    »Ich höre?«
    »Ich bin Mrs. Mary Marsh.«
    Sie hatte wirklich nur einen ganz leichten ausländischen Akzent, und nur aus Höflichkeit neigte der Sekretär den Kopf.
    »Ich höre«, wiederholte er und bot ihr einen Sessel an.
    »Haben Sie diese Zeitung gelesen?«
    Sie reichte ihm das Blatt, auf dessen Titelseite Monsieur Bouvets Foto prangte.
    »Nein, ich habe sie nicht gelesen«, antwortete er gleichgültig.
    »Dieser Mann heißt nicht Bouvet.«
    Der Sekretär, ein überaus ruhiger und teilnahmsloser Mensch, schien an etwas ganz anderes zu denken.
    »Ach, wirklich?«
    »Das ist mein Mann, Samuel Marsh, von den Ouagi-Minen.«
    Solche Fälle hatte er schon öfters gehabt!
    »Ich höre Ihnen immer noch zu. Sie sagen, dies sei Ihr Mann. Und Sie wünschen?«
    »Er hat nie Bouvet geheißen.«
    »Sind Sie sicher, daß Sie sich da nicht irren? Die Fotos in den Zeitungen sind nicht immer sehr deutlich, wissen Sie.«
    »Ich bin sicher, aber mit letzter Gewißheit kann ich es erst sagen, wenn ich ihn gesehen habe.«
    »Mit einem Wort: Sie wollen den Leichnam sehen?«
    »Ich will Ihnen auch gleich etwas sagen, das jeden Zweifel ausschließt. Wenn er am rechten Bein etwas unterhalb des Knies eine sternförmige Narbe hat, dann ist er es ganz bestimmt.«
    »Wie lange ist es her, seit Sie ihn zum letzten Mal gesehen haben?«
    »Das letzte Mal, das war 1932.«
    »In Paris?«
    »In Belgisch-Kongo, wo er wegen seiner Mine zu tun hatte.«
    »Haben Sie sich scheiden lassen?«
    »Es hat nie eine Scheidung gegeben. Eines Tages ist er verschwunden, einfach so, ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen, und seitdem habe ich mein ganzes Geld für Rechtsanwälte ausgegeben, nur um die Anerkennung meiner Rechte zu erreichen.«
    Der Sekretär seufzte, ging zur Tür, öffnete sie und rief einen Inspektor in Zivil herein, der gerade seine Jacke ausgezogen hatte.
    »Du gehst mit der Dame. Warte, ich gebe dir die Adresse. Es ist am Quai de la Tournelle. Die Hausnummer findest du im Bericht. Da soll ein alter Knacker identifiziert werden. Er ist heute morgen gestorben.«
    Ehe er sich’s versah, war ihm der »alte Knacker« schon entschlüpft. Die Dame hatte es im übrigen überhört.
    »Ich bin gleich zurück«, sagte der Inspektor. »Wenn Sie mir folgen wollen. Es sind nur ein paar Schritte.«
    »Ich habe ein Taxi draußen stehen.«
    »Sehr schön.«
    Er zog seine Jacke wieder an und griff im Vorbeigehen seinen Hut.
    »Quai de la Tournelle!«
    Das weiße Haus kam in Sicht, dessen Weiß jetzt, da es nicht mehr in der prallen Sonne lag, leicht bläulich wirkte.
    »Ich bin sicher, daß er es ist!« bekräftigte Mrs. Marsh. »Und das seltsamste daran ist, daß wir vielleicht schon seit langem in derselben Stadt leben, ohne es zu wissen! Man hat ihn überall gesucht. Wenn Sie nur die Hälfte des Geldes hätten, das ich dafür ausgegeben habe …«
    Der Inspektor stieg aus, dann erst zündete er sich die Zigarette an, die zwischen seinen Lippen hing.
    Die Dame betrachtete das Haus von oben bis unten, stürzte in den Hausflur, wich aber zurück, denn eine sehr dicke alte Frau versperrte ihr den Weg und mußte das Haus erst verlassen, ehe jemand eintreten konnte.
    Auf die Frau achtete sie zuerst gar nicht. Es war eine schwarz und recht ärmlich gekleidete alte Frau, wie man sie in manchen Vierteln so oft findet. Sie hatte weißes Haar und ein Mondgesicht.
    Dann jedoch drehte sich Mrs. Marsh instinktiv nach der Alten um, die auf den Gehweg hinausgetreten war und wie ein riesiger Schatten an den Häusern entlangstrich.
    »Wer ist
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