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Das Band spricht Bände

Das Band spricht Bände

Titel: Das Band spricht Bände
Autoren: Carter Brown
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die
immense Diele und dann in eins der kleineren Zimmer. Das ordentlich verschnürte
Päckchen lag auf dem lederbezogenen Schreibtisch. Es klickte leise, als der
Butler hinter mir die Tür schloß. Ich ging zum Schreibtisch, löste Kordel und
Papier und hatte dreierlei vor mir liegen: einen Brief, einen Scheck über
tausend Dollar und ein Taschen-Tonbandgerät.
    Der Brief lautete:
     
    >Lieber
Mr. Boyd,
    der
beigefügte Scheck ist als Zahlung für Ihre Dienste gedacht. Sobald die übrigen
fünf Gäste anwesend sind, möchte ich, daß Sie ihnen das Band vorspielen. Sie
werden hören, daß sich die Botschaft selber erklärt, auch enthält sie meine
weiteren Anweisungen für Sie.
    Mit
freundlichen Grüßen Stirling Wayland.<
     
    Da hatte ich also einen
Verrückten als Kunden. Ich barg Brief und Scheck sorgsam in meiner Brusttasche,
und dabei sagte ich mir, für tausend Dollar habe er das Recht, sich mir
gegenüber wie ein Clown oder sonst was aufzuführen. Dann nahm ich das kleine
Tonbandgerät und trug es ins Wohnzimmer. Stanger schien nur wenig interessiert,
als ich es neben mein Glas auf die Bar legte.
    »Keine Zeigefinger, Mr. Boyd?«
Er wirkte enttäuscht.
    »Wayland hat uns eine Botschaft
geschickt«, sagte ich. »Er möchte, daß ich sie der Versammlung vorspiele.«
    Er nippte wiederum wie ein
Vögelchen an seinem Whisky. »Wie spannend! Wenn ich schon keine abgehackten
Zeigefinger bekommen kann, dann muß ich mich wohl mit einem getrübten Verstand
begnügen.« Er drehte sich um, klatschte in die Hände, und das Geplauder
verebbte abrupt. »Alles herkommen«, rief er. »Wayland hat uns per Tonband Grüße
geschickt!«
    Die beiden Damen eilten rasch
herbei, und in ihren Augen stand die Neugier. Die beiden Herren hingegen ließen
sich Zeit, zur Bar zu wandeln. Stanger stellte uns vor und George Thatcher ließ
seine weißen Zähne blitzen, was bei ihm wohl ein automatischer Reflex war. Ed
Norman war lang und dürr, und sein Blondhaar lichtete sich allmählich. Die
hellblauen Augen saßen dicht an der schmalen spitzen Nase. Seine Züge glichen
einer gespannten Maske, und ich fragte mich, was ihm wohl derart auf die Nerven
gehen mochte, daß er Gewicht und Haare verlor.
    »Stirling scheint das für einen
gelungenen Scherz zu halten, was?« sagte Shari Wayland etwas ungläubig.
»Schickt zu seiner eigenen Party ein Tonband!«
    »Ich glaube, das ist der zweite
Witz, den er in seinem Leben gemacht hat«, gurrte Alysia Ames. »Der erste war,
dich zu heiraten, meine Liebe.«
    »Wollen wir’s uns nicht lieber
anhören? Dann sehen wir ja, was los ist«, fragte Norman unvermittelt.
    »Warum nicht?« Ich drückte auf
den Knopf, und die beiden Spulen begannen sich langsam zu drehen. Stanger
nippte nochmals am Scotch, dann neigte er den Kopf aufmerksam zum Gerät, und
ich wartete förmlich darauf, daß er mit den Ohren wackeln würde.
    »Guten Abend«, sagte eine tiefe
sanfte Stimme. »Hier spricht Stirling Wayland, und ich bedaure sehr, daß ich
heute abend nicht persönlich bei euch sein kann. In meinen Einladungen stand,
es handle sich um eine lebenswichtige Angelegenheit. Wie ihr alle, Mr. Boyd
ausgenommen, wißt, war ich an der Westküste. Vorgestern abend hat jemand versucht,
mich zu ermorden.«
    »Welch ein Jammer, daß es nicht
geklappt hat!« sagte Shari Wayland leise.
    »Er muß betrunken sein — oder
übergeschnappt«, brummte Thatcher.
    »Halten Sie den Mund und hören
Sie zu!« schnauzte Stanger.
    »Seid ihr jetzt alle mit euren
Bemerkungen fertig?« spottete die Tonbandstimme. »Die Einzelheiten sind im
Augenblick unwichtig, aber ich werde sie später Mr. Boyd mitteilen, der
übrigens ein Privatdetektiv und von mir engagiert ist, damit ich am Leben
bleibe.« Die zunächst sanfte Stimme wurde mit einemmal scharf, kalt und heftig.
»Ich bin überzeugt, daß einer oder mehrere der fünf Leute, die gegenwärtig bei
Ihnen sind, Mr. Boyd, für den Mordanschlag verantwortlich zeichnen.«
    »Er ist verrückt geworden!«
flüsterte Alysia Ames.
    »Hat jemand gemeint, ich sei
nicht mehr ganz bei Trost?« Die Stimme kicherte ein bißchen, und ich sah, wie
Alysia unter der Sonnenbräune bleich wurde. »Lassen Sie uns von den Motiven
reden, Mr. Boyd«, fuhr die Stimme fort, »und ich denke mir, es wäre ein Gebot
der Höflichkeit, bei den Damen zu beginnen. Das einzige, was ich und meine mir
fremd gewordene Gattin noch gemeinsam haben, ist der gegenseitige Haß
aufeinander. Sie wünscht sich verzweifelt die Scheidung, und
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