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Das Band der Magie

Das Band der Magie

Titel: Das Band der Magie
Autoren: Liane Mars
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Mutprobe zu benutzen. Der erste Geist, der sich auf ihm niederließ, war ein Luftgeist gewesen: Er hatte zwei seiner Nackenhaare verknotet und war dann kreischend davon gesaust. Aus dem Feuer kamen Geräusche, die sich verdächtig nach Applaus anhörten.
    Ab da hatte mein Wolf ständig irgendeinen Geist im Fell. Ein Feuergeist hatte ihm sogar einige Haare verschmort und ich musste sie abschneiden.
    Es war echt anstrengend.
    Doch dann wurde der Wolf unruhig. Ich nahm es erst als gutes Zeichen – vielleicht wachte er ja auf? – aber das war es leider nicht. Stattdessen zuckte er, drehte und wand sich, würgte.
    Es wurde so schlimm, dass ich ihn fesseln musste. Er hätte sich die Wunden sonst wieder aufgerissen.
    Doch das Ergebnis war auch nicht viel besser: Von da an kämpfte er eben gegen die Fesseln, sträubte sich, knurrte, jammerte, warf sich herum – und verbrauchte wertvolle Energie.
    Die Geister hielten wieder Abstand.
    Am fünften Tag war ich mit meinen Nerven so runter, dass ich mir tatsächlich wünschte, es würde endlich mit ihm zu Ende gehen. Er quälte sich so schrecklich… musste ich ihn da nicht erlösen? War das nicht sogar meine Pflicht?
    Wenn er ein ganz normaler Hund gewesen wäre, ich hätte nicht gezögert. Aber er war kein normaler Hund. Und einem Menschen hätte ich ja auch nicht einfach so die Kehle durchgeschnitten.
    In dieser Nacht rechnete ich damit, dass er jeden Moment starb. Er keuchte nur noch bei jedem Atemzug – und er stank nach Tod. Ich konnte mir nicht erklären, was los war.
    Die Wunden sahen gut aus! Warum starb er trotzdem?
    Ein Wassergeist gesellte sich zu mir, verkleidet als Wassertropfen, etwa so groß wie mein Auge. Er schwebte zitternd neben meinem Kopf, während ich neben dem riesigen Wolf auf dem Boden hockte und seine Ohren streichelte. Das beruhigte ihn immer ein bisschen.
    Selbst Meeha saß neben uns, kein bisschen angriffslustig. Auch sie schien zu spüren, dass es zu Ende ging. Es war eine merkwürdige Stimmung.
    Ich kämpfte mit den Tränen und verlor den Wettstreit. Seit Tagen hatte sich der Klumpen in meinem Magen vergrößert, würgte mich immer mehr. Es wäre schön gewesen, den Wolf ein bisschen besser kennenzulernen, immerhin hatte er mir das Leben gerettet. Und es war meine Schuld, dass er sich jetzt so quälte.
    Eine besonders dicke Träne kullerte über meine Wange und wurde dabei immer riesiger, weil sich ein Wassergeist in sie hineingestürzt hatte. Immer mehr Wassergeister versammelten sich um mich, fasziniert von dem, was aus mir heraus kullerte. Ich hatte noch nie geweint, nicht, seitdem ich in dieser Hütte festsaß. Die Geister staunten.
    Der schwebende Wassertropfen neben meinem Kopf setzte sich plötzlich in Bewegung. Ich hatte damit gerechnet, dass er in den Strom meiner Tränen eintauchen würde, stattdessen hielt er zielstrebig auf das Maul des Wolfes zu. Die anderen Geister schienen die Luft anzuhalten, ebenso wie ich.
    Mit einem Platsch quetschte sich der Geist an den Zähnen des Wolfes vorbei, spazierte in sein Maul – und verschwand.
    Eine Minute, zwei, drei vergingen, nichts passierte.
    Der Wolf hatte den Wassergeist verschluckt! Oder, besser gesagt: Der Wassergeist hatte sich vom Wolf verschlucken lassen.
    Etwas machte Klick in meinem Hirn.
    Ich sprang auf, rannte zu meinem armseligen Kräuterbündel und zupfte daran herum. Grünblüte gegen Übelkeit, Sanftmut gegen Entzündungen, Orangenkraut gegen Fieber. Ich zerstampfte alles so klein wie möglich, schüttete mir die Kräuter in die Hand und hockte mich wieder neben den Wolf.
    „Bitte, ihr Süßen! Tragt es in ihn rein!“, bat ich. Und tatsächlich. Ein Wassergeist formte sich aus einer noch nicht getrockneten Tränenspur auf meiner Wange, schwebte zu meiner Hand und wählte sorgfältig fünf zerstampfte Kräuter aus. Dann quetschte es sich zwischen den Wolfszähnen durch.
    Ich hoffte, dass ich es nicht in den Tod schickte.
    Ein zweiter Geist schloss sich an, giggelnd diesmal. Es klang wie leise Regentropfen auf meiner Veranda, ein wirklich hübsches Geräusch. Er verschwand in der Nase, kam aber sofort wieder raus und nahm den richtigen Eingang. Dann folgte ein Strom blubbernder Wassergeister. Sie alle nahmen ein oder zwei Kräuter und verschwanden damit im Inneren des Wolfes.
    Plötzlich krümmte sich der Wolf, aufgehalten durch die Fesseln. Er winselte, zuckte – und riss die Augen auf. Beide Augen!
    Ich brach vor Erleichterung wieder in Tränen aus und musste noch mehr
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