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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Daniel Dekkard
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wehrten sie die feuchtkalten Gespenster mit den Händen ab. Den Waldboden, in der unteren Partie noch moderig und nachgiebig, durchsetzten bald Kiesel und Gestein. Nach der Hälfte des Weges lichtete sich der krüppelige Wald, haushohe Felsblöcke bildeten schmale Durchlässe, Geröll erschwerte den Halt. Erbarmungslos befahl Kavenay den Trupp voran, ohne Rast. Bis vor ihnen in den weißen Schwaden ein dunkles Loch auftauchte, der beinahe kreisrunde Zugang zu einer Höhle. Nebel kroch daraus hervor wie der Atem eines Drachens.
„Warum heißt es Maul der Kobra ?“, fragte Nemsky. Seit ihrem zweiten Zusammentreffen im Wildhüter-Camp bedachte sie jede von Leonards Aussagen mit äußerstem Misstrauen.
„Was weiß ich“, blaffte er. „Weil es so aussieht?“
Sie stieß ihm einen giftigen Laut entgegen und befahl dem dritten Malaien, den Eingang zu untersuchen. Gegen das, was er fürchtete, half ihm kein Schnellfeuergewehr. Trotzdem entsicherte er die Waffe, bevor er sich der Höhle näherte.
„Er sollte da nicht hineingehen“, warnte Leonard. „Der Nebel.“
Auf malay rief Nemsky dem Mann scharfe Worte in zu. Zögernd setzte er seinen Weg fort. Grinsend stützte sie die Arme in die Hüften.
„Ich hab ihm gesagt, er soll sich nicht in die Hosen machen.“
Im nächsten Moment hörten sie den Aufschrei, in die Länge gezogen, in Todesangst, bis er, zu einem sich rasch entfernenden Wimmern abklingend, mit einem Schlag verlosch. Es war keine Höhle, wie sie feststellten. Das Loch erwies sich als Felsdurchlass, durch die Witterung aus dem Stein gesägt. Nur ein kurzes Stück hinter dem Zugang fiel die Felssohle steil in die Tiefe. Hundert Meter unter ihnen schlug der Malaie durch die Kronen der Bäume. Kavenay schabte mit der Spitze seines Stocks am Rand des Abgrunds entlang.
„Aus einer Höhle kommt kein Nebel. Wir hätten auf unseren guten Mister Finney hören sollen.“
Er neigte sich Leonard zu und flüsterte, als offenbare er einem guten Freund ein Geheimnis.
„Meine Majorie ist da manchmal starrköpfig. Sie hasst es, wenn ihr andere dreinreden. Besonders, wenn es sich bei diesen anderen um Männer handelt.“
„ Holy shit !,“ hörten sie Nemsky ausrufen.
Eine Böe fegte die Wolkenfetzen davon. Darunter tauchte der Hang auf wie eine sich rasch im Chemikalienbad entwickelnde Fotografie. Zwanzig oder fünfundzwanzig Felslöcher öffneten sich, manche kaum mannshoch, andere ausladend wie die Portale von Kapellen.
„Keins sieht wie eine verdammte Kobra aus“, schnauzte sie wütend.
„Ich sagte doch, ich weiß es nicht. Es hieß, im Westen verschlingt dich das Maul der Kobra. Lassen Sie sich was einfallen, Miss Oberschlau!“
Sein Zorn richtete sich mehr gegen sich selbst. Weil er auf die dumme Klein-Mädchen-Geschichte aus einer angeblich gemeinsamen Schulzeit reingefallen war.
„Wir sind noch nicht miteinander fertig“, drohte sie.
Kavenay fand die Lösung. Gemächlich lief er am Hang entlang, ging ab und zu in die Hocke, auf seinen Gehstock gestützt und sah aufwärts. Bis er in dieser Stellung verharrte und mit einem Finger schnippte.
„Hier. Sehen Sie.“
Man konnte es nur in dieser Position erkennen. Felsnadeln im Vordergrund fügten sich mit einem oberhalb gelegenen Höhleneingang zu einem Gesamtbild. Zwei der spitz zulaufenden Steine bildeten die Fangzähne einer Giftschlange und zwei andere die aufwärts gerichtete, gespaltene Zunge, die aus dem Rachen hervorschoss.
„Das Maul der Kobra“, sagte Kavenay fröhlich und richtete sich wieder auf. „Wir sind ein gutes Team, nicht wahr?“
Leonard schüttelte den Kopf. Der Kerl benahm sich wie auf einem Sonntagsausflug. Dabei arbeitete er mit tödlicher Sicherheit bereits an einem Plan, wie er sich all seiner Begleiter entledigen konnte. Auch seiner Majorie, denn ein Mann wie Kavenay teilte nicht.
Die Treppe befand sich nur wenige Meter hinter dem Eingang. Aus der Innenwand des Felsens gemeißelt wanden sich glatte, feuchte Stufen in schwindelnde Höhe. In der Breite boten sie gerade Platz für eine Person.
„Das sind mindestens tausend“, sagte Nemsky beeindruckt.
„Allerdings“, bestätigte Leonard. „Und kein Geländer. Binden Sie mich los, Kavenay. Ihre Kameraden hier haben mir deutlich zu dünne Nerven.“
„Vergessen Sie´s!“, fuhr Nemsky dazwischen.
„Dieses Mal muss ich ihr leider recht geben“, sagte Kavenay. „Sie haben mir in der Vergangenheit zu viel Talent bewiesen, aus der unmöglichsten Lage zu
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