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Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Das Auge der Dunkelheit (German Edition)

Titel: Das Auge der Dunkelheit (German Edition)
Autoren: Daniel Dekkard
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Kavenay, „es wird bald wieder stockfinster. Wir sollten die Zeit nutzen und das Labyrinth suchen.“
Eine leichte Aufgabe, wie sich schnell zeigte. Der Raum, in dem sie sich befanden, war kaum größer als das Innere einer Friedhofskapelle. Außer dem Fallschacht zur Treppe gab es nur einen einzigen, ebenerdigen Ausgang.
„Also los!“
In der Manier eines Offiziers, der seine Rekruten von der Rast aufscheuchte, klatschte Nemsky in die Hände. Als sie den Ausgang durchschritten, bremste es ihren Tatendrang auf der Stelle wieder. Vor ihnen öffnete sich eine Kammer, in der sich neun Gänge kreuzten. Ebenerdig zählten sie drei Durchlässe, drei führten über enge Treppen hinauf, drei weitere fielen in die Tiefe. Nacheinander leuchteten sie in zwei der Gänge. Der eine verzweigte sich bald mehrfach, der andere stieß auf eine weitere Kammer. Sie vermuteten, dass auch die übrigen Gänge Gabelungen aufwiesen, die wiederum gemauerte Kammern durchliefen. Die ganze Konstruktion war in perfekten rechten Winkeln errichtet, ohne Besonderheiten, Zeichen oder Verzierungen. Nur endlose Reihen rötlicher Ziegel. Sollte sich die Anlage durch die gesamte, glockenförmige Bergkuppe ziehen, dachte Leonard, übertraf sie die Ausdehnung einer gotischen Kathedrale.
„Irrsinn!“, stöhnte Nemsky. „Selbst wenn wir jeden Gang und jede Kammer markieren, wir bräuchten Tage, um das zentrale Heiligtum zu finden. Wenn es uns denn überhaupt gelingt.“
„Nun ja“, meinte Kavenay. „Das ist der Sinn eines Labyrinthes. Einfältig, zu glauben, der Erbauer würde Zeichen hinterlassen, um irgendwelchen ungebetenen Gästen zu zeigen, wo´s lang geht.“
„Der Kris! Er ist nicht nutzlos. Seine Funktion als Wegweiser beginnt hier erst.“
Deutlich stand wieder die mäanderartige Linie vor Leonard, die durch das Muster auf der Klinge hervorgetreten war. In Bagan, als der Dolch ihm in der Nacht zuflüsterte.
„Halten Sie ihn ins Licht.“
Widerspruchslos holte Kavenay den Dolch hervor. Langsam bewegte er die Klinge im rötlichen Dämmerlicht. Die Sterne auf dem schwarzen Metall funkelten, das Linienmuster aus Meteoriterz glitzerte. Aber das in rechten Winkeln zur Spitze laufende Band blieb verborgen.
    „Dieses Mal liegen Sie daneben, Mister Finney.“
„Der Kris wurde für die Dunkelheit geschmiedet. Vielleicht sieht man es nur in der Nacht.“
„So ein Blödsinn. Wie soll das funktionieren?“, wandte Nemsky abfällig ein.
Der rötliche Schimmer schwand aus der Kammer, sekundenschnell umfing sie wieder die Finsternis. Die Sonne sackte hinter den Horizont. Nemskys Taschenlampe flammte auf. Immer noch schwieg die Klinge.
„Na, bitte“, ätzte sie.
„Warten Sie, Kavenay.“
Kurz darauf floss mattgelbes Licht in die Katakomben.
„Der Mond. Er steigt in den Zenit.“
„Verdammt, Finney. Ich glaube es nicht.“
Kavenay stierte auf den Dolch. Das schwache Mondlicht reichte, das rechtwinkelige Mäanderband zum Vorschein zu bringen.
„Das ist der Wegweiser. Jeder Winkel des Bandes gibt eine Richtungsänderung vor. Der Weg beginnt in diesem Raum. Und die Spitze der Klinge weist auf das Ziel.“
„Hört sich ein bisschen weit hergeholt an“, beharrte Nemsky.
Zum ersten Mal hob Kavenay seine Stimme, fuhr Majorie harsch über den Mund.
„Das Einzige, was wir haben. Machen wir uns auf den Weg.“
Einer der aufwärts führenden Gänge markierte den Anfang. Dessen Enge zwang sie, hintereinander zu laufen. Auf Kavenays Befehl gingen die Malaien voraus, Leonard weiter in der Mitte haltend, gefolgt von Nemsky. Er selbst bildete das Schlusslicht. Sollte es die von Finney befürchteten Fallen geben, dachte er, würde es die Vorauslaufenden zuerst erwischen. Das gab ihm genug Zeit, zu reagieren.
Die anderen blieben stumm, nur Kavenays knappe Anweisungen hallten über die Ziegelwände.
„Rechts!“ - „Links!“ – „Der mittlere geradeaus!“
Sie durchschritten fünf Kammern, die sich weder der Form noch der Größe nach voneinander unterschieden. Es geschah in der sechsten.
„Links!“, schallte das Kommando.
Der führende Malaie betrat den Gang. Wegen des Gefälles musste er langsamer gehen und sich mit einer Hand an der Wand abstützen.
„Nicht diesen!“, rief Leonard.
Linker Hand zweigten zwei dicht nebeneinanderliegende Gänge ab. Der abwärts führende knickte um mehr als neunzig Grad von der Kammer ab.
Doch der Strick zog bereits stramm und riss ihn weiter. Das Licht des zweiten Malaien flackerte in den
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