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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell
Autoren: Jina Bacarr
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an? Oh mein Gott.
    Irgendwie scheint der Kreis sich jetzt zu schließen. Verloren in einer so schwarzen Dunkelheit, wie sie nur in diesem unbeschreiblichen Loch zwischen Gegenwart und Zukunft existieren kann. Ich bin in einem brennenden Haus gefangen, aber ich gehe zurück in ein Haus, das in meiner eigenen Zeit brennt.
    Völlig verzweifelt und ohne jede Hoffnung renne ich die Stufen weiter nach unten. Ich kann nicht mehr denken. Mein Herz scheint zu explodieren. Ich werde im Feuer sterben.
    Ich schreie.
    Gerade als Paul durch den Vordereingang des
hôtel privé
stürmte, zitternd, schwitzend, hörte er eine Frau schreien. Autumn lebte noch. Musste noch leben. Wo war sie? Eine Feuerwand schoss vor ihm empor, als wolle sie ihn herausfordern, Autumn zu finden.
    Nein, nein, nein!
Er würde sich durch nichts aufhalten lassen. Mit geballten Fäusten wappnete er sich gegen das Feuer, hob einen Stuhl auf und hielt ihn wie ein Schutzschild vor sich. Dann sprang er vorwärts und stürmte die Haupttreppe hinauf. Sein Puls raste wie wild, sein Atem ging schwer. Er kam nicht sehr weit, denn das Feuer blockierte seinen Weg, und er musste umkehren.
    Fluchend warf er den Stuhl in die Flammen und rief ihren Namen: “Autumn, Autumn!” Er rannte im Erdgeschoss vor und zurück, schützte sein Gesicht gegen die Flammen und betete, dass er sie noch einmal schreien hören würde. Aber er hörte nichts mehr. Schweiß rann ihm über die Stirn und über seine Robe.
    Irgendetwas musste er tun. Egal was!
    Gebückt zwängte sich Paul an brennenden Balken und Brettern vorbei und suchte nach einer anderen Treppe. Dann sah er ein ähnliches Wandgemälde mit einem Garten wie im oberen Stockwerk. War etwa auch hier eine geheime Tür verborgen, die in den gleichen Gang führte?
    Das Feuer bewegte sich in seine Richtung, und er tastete sich an der Wand entlang, auf der Suche nach einer Öffnung, irgendetwas … all diese alten Häuser im Quartier Marais hatten seit der Revolution geheime Treppen … aber er fand nichts.
    Die Flammen versengten bereits seine Haare, aber er konnte nicht aufhören, nach der Tür zu suchen. Sie musste hier irgendwo sein. Paul bedeckte seinen Mund mit der Robe und schlug mit der Faust gegen die Wand – und plötzlich hatte er die Tür gefunden.
    Er blinzelte, um den Schweiß aus den Augen zu bekommen, hustete und erstickte fast am Rauch, als … die Tür plötzlich aufging und ihm kalte Luft entgegenwehte. Vorfreude, Erregung und Erleichterung durchfuhren ihn, als ob eine unsichtbare Macht die Hand nach ihm ausstreckte und ihn hineinzog. Er raffte die Robe, bückte sich, und in gekrümmter Haltung kroch er durch die Tür und zu der schmalen Treppe. Einen Augenblick hielt er inne und schaute die Stufen entlang nach oben, in Erwartung, die Flammen auch hier brennen zu sehen. Aber so weit sein Blick reichte, war da nur Dunkelheit.
    Ein lautes Geräusch hinter ihm schreckte ihn auf. Donner. Ein starker Wind blies ihm ins Gesicht, stach mit kalten Nadeln in seine Wangen und ließ die Tür hinter ihm ins Schloss fallen. Paul fluchte, doch er würde nicht ohne Autumn zurückkehren.
    Er hielt sich die Hände vors Gesicht – zumindest dahin, wo er sein Gesicht vermutete – aber er konnte nichts sehen. Er musste hier auf der dunklen Geheimtreppe sein, und egal was um ihn herum geschah, er würde auf keinen Fall aufhören, nach Autumn zu suchen.
    Paul stellte den Kragen seiner roten Robe auf, aber die klamme Kälte kroch trotzdem in seine Knochen. Er fröstelte.
Merde
, war das kalt hier. Und schwarz. Rabenschwarz! Es kam ihm vor, als ob sich hier die Enden der Welt träfen und sich in einem schweren Nebel des Nichts auflösten, so dicht, dass Zukunft und Gegenwart gleichzeitig existierten.
    Er stieg weiter die Treppe hoch, ein Gefühl, als würde er schweben. Ein überirdisches Zittern ging durch seinen Körper, als ob eine unbekannte Kraft ihn vorantrieb. Ganz sicher würde er Autumn jetzt finden. Er musste einfach daran glauben, sonst würde er verrückt werden.
    Um seine Stimmung zu heben, stellte er sich ihre grünen Augen vor, bei denen er dahinschmolz. Er dachte an ihre Berührungen, wie sie sich an ihn schmiegte und sich vor Leidenschaft verzehrte. Wie ihre Lippen anschwollen, ihre Klitoris sich in eine pinkfarbene Perle verwandelte und ihr Honig über seine Finger lief …
    Er hielt inne. Halt! Irgendetwas war anders hier, er konnte es nicht so richtig in Worte fassen. So wie sich die Stufen unter seinen Füßen
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